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Kinder / Erziehung
Alltag mit Kleinkindern – so gelingt er einfacher
Von Veronica Bonilla Gurzeler Fotos Anne Gabriel-Jürgens
«Wir belehren nicht, denn wir sind undogmatisch.» Nach diesem Motto der Pädagogin Maria-Luisa Nüesch haben wir die nachfolgenden Tipps ausgewählt.
Körperpflege ist Beziehungspflege
Es ist ein Grundrecht des Menschen – auch des Kindes – dass man sich mit ihm über das, was geschieht, verständigt. Man weist also mit Worten und mit behutsamen Bewegungen auf nächste Handlungen hin – egal ob das Kind gerade gewickelt, angezogen oder gefüttert wird. Dank bindungsorientierter, liebevoller Pflege durch eine voll präsente Bezugsperson kann sich das Kind entspannen. Rhythmus, Rituale und Wiederholungen im Alltag geben Sicherheit.
Spielen ohne Erwachsene
Wer satt ist an Zuwendung, Aufmerksamkeit, Respekt und Liebe, kann sich ganz seinem Spiel und seinen Lernaufgaben widmen, ohne dass ihn jemand in seinem Tun permanent bestätigen muss.
Schlafen ist Loslassen
Das Kind soll nach Möglichkeit dort einschlafen, wo es auch aufwacht. Ist es ein anderer Ort, erschrickt es. Das Kind kann lernen, einzuschlafen, ohne herumgetragen oder gestillt zu werden. Die Trennung ist aber fürs kleine Kind schwierig, deshalb bleibt man bei ihm, und sagt ihm, dass man wieder kommt, wenn es wach ist. Doch nicht vergessen: Schlafen kann man nicht befehlen. Auch Kindern nicht.
Essen und Trinken ist Genuss
Sobald der Säugling Tee oder Wasser bekommt, kann er sich ans Trinken aus dem Glas gewöhnen. Auch Brei kann verdünnt aus dem Glas gegeben werden, direkt oder mit dem Löffel. Babys werden gefüttert, bevor die Familie isst, damit sie genügend Aufmerksamkeit erhalten. Essen sollte Freude machen, und niemals darf das Kind dazu gezwungen werden. Auch wenn es einmal nichts isst – es verhungert nicht.
Sprechen ist Rhythmus
Lieder und Reime schulen das sprachliche und musikalische Rhythmusgefühl. Der Wiederholung kommt grosse Bedeutung zu.
Spiel ist Freispiel
Spielen ist keine verschwendete Zeit, sondern die effektivste Form des sozialen Lernens. Nichts macht Kinder so klug wie das selbstgewählte, freie Spiel.
Bewegungsentwicklung und Frustrationstoleranz
Ob Kinder das Aufstehen, Schuheanziehen oder das Klettern üben: Durch ein vorschnelles Eingreifen werden ihre Anstrengungen unterbrochen. Durch die gut gemeinte – oder ungeduldige – Hilfe werden ihnen wichtige Lerneffekte vorenthalten. Können Kinder selber ausprobieren, kann das zu Misserfolg und damit zu Frustration führen, die es auszuhalten gilt. Gelangen sie ohne fremde Hilfe zum Ziel, erleben sie, wie es sich anfühlt, aus eigener Kraft eine Lösung zu finden.
Trotz- oder Selbstständigkeitsalter
Das sogenannte Trotzalter existiert nur in den Köpfen von Erwachsenen und Experten. Wir müssen einen Weg finden, unsere Kinder machen zu lassen, ohne sie allein zu lassen. Das Trotzalter sollte Selbstständigkeitsalter genannt werden und die Eltern müssten froh sein, dass sie sich nicht mehr um alles kümmern müssen. Das Kind kann immer mehr Aufgaben selbst übernehmen und seine Eltern dadurch entlasten.
Autonome Kleiderwahl
Manche Kinder wollen früh selber bestimmen, was sie anziehen – und auch was nicht. Das ist ihr gutes Recht (siehe Trotzalter). Kann jemand anderes wirklich beurteilen, ob wir in der kurzen Hose frieren? Will das Kind im Herbst partout mit Sommerrock und ohne Jacke raus, lassen wir es selber merken, wie sich die Kälte anfühlt – und packen für alle Fälle Leggings und einen Wollpullover ein. Die Chancen stehen gut, dass es die Kleider bald dankbar und freiwillig überzieht.
Quellen: Pädagogik der Emmi Pikler, Maria Luisa Nüesch, Verein Spielraum-Lebensraum, Wiegestube Berlin, Jesper Juul
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