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Medizin
Cool bleiben wenns heiss wird
Von Andreas Grote
Kindern fiebersenkende Mittel zu geben, ist fast immer unnötig und stört das Immunsystem. So begleitet man sein Kind durch das Fiebern.
Kinder fiebern schneller, häufiger und höher als Erwachsene. Denn ihr Immunsystem ist noch unerfahren im Umgang mit Erregern. «Gerade weil das Immunsystem im Kleinkindalter alles neu lernen muss, sind die Kinder in dieser Altersstufe oft krank», erklärt der Kinderarzt Benedikt Huber vom Kantonsspital HFR Freiburg. Fieber stimuliert die Abwehrkräfte, die zur Infektionsüberwindung und in Zukunft zur Verhinderung von Infektionen beitragen, damit es ab dem Schulalter nicht bei jeder Begegnung mit einem Krankheitserreger im Bett liegen muss. «Sofern das Kind gesund ist und nicht unter den Symptomen des Fiebers leidet, gibt es keinen medizinischen Grund, das Fieber zu senken.»
Mit Säuglingen frühzeitig zum Arzt
Die Schutzreaktion des Immunsystems ist ein seit Jahrmillionen erprobter Mechanismus, um viralen oder bakteriellen Erregern im Körper Paroli zu bieten: Die erhöhte Temperatur bekommt dem Erreger nicht, die körpereigenen Abwehrvorgänge laufen bei Fieber deutlich besser ab und das Fieber hilft quasi als körpereigenes Antibiotikum die Krankheitserreger abzutöten.
«Die Gabe von fiebersenkenden Mitteln führt durch den künstlichen Abbruch der natürlich regulierten Fieberreaktion zudem oft zu einer Zunahme der Fieberzyklen, die das Kind physisch mehr auslaugen, als eine längere, selbstregulierte Fieberphase», sagt Benedikt Huber.
Wann tatsächlich eine fiebersenkende Massnahme angezeigt ist, komme auf die individuelle Situation an und sollte in Absprache mit dem Arzt erfolgen. Säuglinge in den ersten 6 Monaten sollten mit Fieber immer am ersten Tag dem Arzt vorgestellt werden, ältere Säuglinge und Kleinkinder evtl. erst am zweiten Tag, ältere Kinder auch erst nach 3–5 Tagen. «Eine vorherige, sofortige Vorstellung beim Arzt ist immer dann richtig, wenn die Eltern aufgrund des Krankheitszustandes beunruhigt sind, weil das Kind abwesend scheint, Atemstörungen hat, erbricht und nicht trinkt, sowie Kopfschmerzen und Nackensteife zeigt», sagt der Kinderarzt.
Bei Fieber zu Hause bleiben
Ausgelöst wird das Fieber durch pyrogene (Fieber auslösende) Substanzen, wie sie von Erregern in den Körper transportiert werden. Im Gehirn registriert der Hypothalamus den Pyrogenanstieg im Blut und reguliert die Temperatur des Körpers entsprechend nach oben. Um die Körpertemperatur hochzufahren, versorgt der Körper Haut und Extremitäten mit weniger Blut, indem er die Hautgefässe verengt, Hände und Beine werden dadurch kühl und man fröstelt. Gleichzeitig erhöht sich der Puls und über Schüttelfrost werden die Muskeln aktiviert.
Ist die angestrebte Körpertemperatur erreicht, verbleibt sie zunächst auf diesem Niveau. In dieser Phase tut dem Körper Ruhe gut. Kinder mit Fieber haben daher nichts im Kindergarten oder der Schule zu suchen, auch, weil sie andere anstecken könnten. Sinkt die Temperatur wieder, beginnt man zu schwitzen, weil der Körper die Wärme erneut nach aussen abgibt, Hände und Füsse werden wieder warm. Nun ist viel Trinken nötig, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen.
Benedikt Huber, Kinderarzt

Temperaturwert sagt nichts aus
Von Fieber spricht man bei Säuglingen jünger als 3 Monate bei 38 Grad Celsius, rektal gemessen, bei Säuglingen zwischen 3 und 12 Monaten ab 38,5 Grad Celsius. Der absoluten Höhe des gemessenen Fiebers sollten Eltern aber keinen allzu grossen Wert beimessen. «Wichtig zu wissen, ist, dass das Fieber immer vom Organismus selbst gemacht wird und über die Wärmeregulationszentren im Gehirn streng reguliert wird – eine Entgleisung ist damit beim sonst gesunden Kind ausgeschlossen», so Huber. Dementsprechend gäbe es auch keinen Temperaturwert, der elterliche Sorgen rechtfertige. «Es gibt Kinder, die tolerieren Fieber bis 41 Grad Celsius problemlos und andere wirken mit 38 Grad Celsius schwer krank.» Auch ist die Fieberhöhe kein verlässliches Mass für den Schweregrad der zugrunde liegenden Krankheit.
Schwer für Eltern mitanzusehen und recht häufig im Alter von 6 Monaten bis 5 Jahren sind Fieberkrämpfe mit Zuckungen und Verkrampfungen an den Extremitäten. Beim meist unkomplizierten Fieberkrampf ist nach längstens 15 Minuten der Spuk vorbei und das Kind wieder normal ansprechbar. «Fieberkrämpfe sind in der Regel ungefährlich und hinterlassen keine Schäden», sagt Benedikt Huber. Bei jedem Krampfanfall unter Fieber ist aber eine Vorstellung beim Kinderarzt empfohlen – auch zur Klärung der Ursache und Beratung der Eltern zum weiteren Vorgehen.
Typischerweise treten Fieberkrämpfe während des Fieberanstiegs auf. «Auch wenn das von vielen Ärzten immer noch propagiert wird, die Gabe von fiebersenkenden Medikamenten verhindert Fieberkrämpfe nicht», sagt Kinderarzt Huber. Die klinische Erfahrung zeige, dass eher Wärmezufuhr im Fieberanstieg die Krampfneigung vorbeugen hilft (siehe Box), möglicherweise durch den ausgleichenden Effekt auf die Wärmeregulation und die Temperaturempfindlichkeit des Gehirns.
Zuverlässige Ohrenthermometer
Geht es schliesslich ums Fiebermessen, gilt die Messung im Popo immer noch als beste Methode. «Heute kann aber auch mit einem modernen Ohrenthermometer ab dem Säuglingsalter eine verlässliche und nicht invasive Messung durchgeführt werden», sagt Huber. Stirnthermometer seien seiner Erfahrung nach eher unzuverlässig. Ohnehin komme es nicht auf die Messgenauigkeit der verschiedenen Methoden an, wenn Eltern den Fieberverlauf verstanden haben und aufmerksam bei ihrem Kind sind. «Eltern müssen Zeit und Aufmerksamkeit für ihr krankes Kind haben, es liebevoll und ruhig begleiten, ihm Sicherheit geben», sagt Benedikt Huber.
Aber auch der Kinderarzt weiss: Hier kommt im Alltag meist der «gesellschaftliche Stress» ins Spiel, auch der Umgang mit eigenen Sorgen und Ängsten sowie Fehlinformationen aus den Medien, was sich über die Eltern unmittelbar auf das Kind überträgt und erfahrungsgemäss hauptverantwortlich ist für die «schlechte Toleranz» des Fiebers.
Fieberanstieg
(Füsse/Hände sind kalt): Wärmezufuhr zum Beispiel durch
• Zudecken
• Wollsocken
• warme Kleidung
• warme Getränke
Fieberabfall
(Füsse/Hände sind warm): Ableitung der Wärme durch
• Abdecken
• lauwarme (nicht eiskalte!) Wadenwickel
• kühle Getränke
• und viel Trinken, um den Flüssigkeitsverlust durchs Schwitzen auszugleichen