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Berufswunsch
Das wollen Kinder später arbeiten
Berufswünsche von Kindern sind bunt, klar und klug. Damit das so bleibt, muss man mit ihnen reden. Und kann dabei viel lernen.
Wo kommen nur die Betriebswirte her? Und all die Hedgefonds- Managerinnen, die Bankangestellten und IT-Supporter in männlich, weiblich oder divers? Es ist ein Rätsel. Denn fragt man Kinder, auf welchen Beruf sie später mal Lust haben, dann kommt eine Menge toller Tätigkeiten – aber von diesen Jobs gewiss keiner. Nicht ein einziges mageres Mal. Auch nicht: Altenpfleger, Ingenieur und Technikerin. Schade, herrscht da doch in der Schweiz enormer Fachkräftemangel.
Nein, Kinder wollen Bauern werden und Musical-Star, Astronaut, Polizist und Bauarbeiterin … Hauptsache spannend soll die künftige Arbeit sein, abwechslungsreich, im besten Fall soll sie Neues erschaffen und Gutes für Menschen, Natur und Tiere tun. Und fragt man Kinder – leider oft schon prophylaktisch amüsiert – «Naaaaaa, was willst du mal werden, wenn du gross bist?», dann sagen sie ernsthaft und aus Erfahrung, dass ihnen kein Job ins Haus kommt, der sich im Leben so dick und breit macht, dass nichts anderes mehr Platz hat. Denn im Leben, finden die Jungen und Mädchen, sollte auch Zeit für ein Haustier sein, für Glace-Essen, Salto-Üben und vielleicht für eine Familie. Geld zu verdienen wäre auch nicht schlecht. Nicht viel, aber doch so viel, dass es ab und an fürs Kino reicht.
So etwas sagen die 5- bis 11-jährigen Kinder, die wir nach ihren Plänen gefragt haben, weil es ziemlich dumm von Erwachsenen ist, mit Kindern zum ersten Mal gegen Ende der Sekundarschule über ihre Lebensziele zu reden und sich dann zu wundern, wenn sie «Influencer werden» sagen. Blieben Eltern, Kinder, Lehrer ständig über die Zukunft im Gespräch, bräche vielleicht nicht jeder fünfte Auszubildende die Lehre ab, liessen nicht 40 Prozent der «Pferdefachfrauen» noch vor dem Abschluss Striegel und Sattel im Stich und schmisse nicht ein Drittel das Studium.
Kann zumindest sein. Immerhin sind es, laut einer Studie der Universität Giessen, zu 62 Prozent allein die Eltern, auf die sich die Heranwachsenden bei der Berufswahl-Entscheidung verlassen. 50 Prozent orientieren sich, sagt eine Forsa-Umfrage, stark am Beruf des Vaters, 37 Prozent am Beruf der Mutter.
Möglicherweise wäre es bei diesem enormen Einfluss also ganz gut, nicht nur im Haus zu kehren, sondern auch mal vor der eigenen Haustür und zu überdenken, was im Familienalltag so alles gesagt oder unbedacht vorgelebt wird. Zwar finden 5- bis 11-Jährige noch fröhlich, Jungsberufe und Mädchenberufe gebe es nicht, jeder – egal welches Geschlecht – könne werden, was er wolle; aber dennoch, laut Bundesamt für Statistik, in den Berufsfeldern «Krankenpflege und Geburtshilfe» sowie «Sozialarbeit und Beratung » 80 Prozent Frauen arbeiten und im Segment «Elektrizität und Energie» 90 Prozent Männer, dann ist das merkwürdig. Sehr merkwürdig.
Schlagen etwa ab der Pubertät wegen der sprudelnden Hormone doch noch geschlechtertypische, quasi naturgegebene Interessen durch? Mischt die Biologie mit bei der Berufswahl? Nicht wirklich. In den Golfstaaten nämlich sind unter den MINT-Fächer-Studierenden 76 Prozent Frauen, in Panama 50 Prozent, in Deutschland 23 Prozent und in der Schweiz: 14. Schlusslicht in ganz Europa.
Tja. Übrigens ist der Beruf, der laut Umfragen am allerglücklichsten macht, Gärtner oder Gärtnerin. Weshalb? Das ist wieder ein neues Thema. Jedenfalls gibt es vor der Berufswahl noch reichlich zu besprechen, zu diskutieren und zu hinterfragen: von Glück über Geschlecht bis Geld.
Tipp: Früh anfangen, den Kindern zuzuhören. Es lässt sich viel lernen und macht ein bisschen nachdenklich.
In diesen Jobs sehen sich die befragten Kinder:
Bauender Bauer
Milo (7): «Ich liebe es, Welten zu bauen. Ich baue gerne Häuser und Hütten aus Kappla und Playmobil. Auf einem Bauernhof baut man auch. Man baut Pflanzen an. Ich steh dann früh auf und geh früh ins Bett. Der Vater von meiner Mama war Bauer. Manchmal habe ich mir dort die Tiere angeschaut. Vor allem die Schafe. Meine Mama arbeitet mit Ingenieuren zusammen, die haben mir einmal einen Veloanhänger gebaut. Mein Papa arbeitet mit behinderten Menschen. Da hat er manchmal Nachtdienst. Das möchte ich nicht. Ich möchte später kein teures Leben. Ich möchte ein billiges Leben und nicht immer Geld ausgeben. Aber einen Hund möchte ich auf meinem Hof. Mein Bild ist so bunt, weil ich bunte Farben so gerne habe.»
Professionelle Reitlehrerin
Ceylin (9): «Ich möchte professionelle Reitlehrerin werden. Ich selber lerne ja auch schon Springreiten. Wenn ich später einen Reiterhof habe, möchte ich aber nicht die Anfänger unterrichten, dafür hab ich dann Angestellte. Ich unterrichte nur die Guten, die auch schon springen können. Einen Reitstall zu gründen ist sehr teuer. Deshalb spare ich jetzt schon. Mein Vater hat eine Autogarage, da habe ich mal geholfen: Ich habe Kaffee gekocht. Dabei habe ich 25 Franken verdient. Die habe ich alle ins Sparschwein gesteckt für die Pferde später.»
Musical-Darstellerin
Madita (9): «Ich werde später Musical-Darstellerin. Ich gehe zwei Mal in der Woche zum Ballett. Ich singe auch gern und mag Comedy. Das passt gut zusammen für eine Musical-Darstellerin. Ich möchte später aber nicht nur arbeiten. Ich möchte auch Zeit für Pferde haben. Und eine Familie möchte ich auch. Da kann ich nicht den ganzen Tag arbeiten. Das Geld bekomme ich schon irgendwie zusammen. Ich möchte später einen Beruf, auf den ich mich morgens freue. Das ist wichtig. Geld ist nur ein bisschen wichtig. Ich möchte genug davon haben, dass ich ab und an ins Kino gehen kann.»
Tierärztin
Linda (5): «Ich werde ‹Diererzdin›. Ich tu den Tieren nicht weh. Eine Spritze ist aber gut, weil das Tier dann gesund wird. Wenn eine Katze behandelt wird, dann kostet das bei mir 2 Franken. Ein Elefant kostet aber viel mehr. Eine Giraffe auch. Auch ein Junge kann das schaffen, Tierarzt zu sein. Jungen und Mädchen sind gleich gut. In meiner Praxis ist auch eine Küche. Weil ich den ganzen Tag arbeite, koche ich mittags. Ich koch dann Sachen, die meine Mama mir auch kocht. Am liebsten Nudeln. Die Katzen essen Katzenfutter. Oder eine Maus.»
Bauarbeiterin
Silja (11): «Ich möchte Architektin werden oder Bauarbeiterin. Ich möchte unbedingt Häuser bauen. Hier auf meinem Bild habe ich mein Traumhaus gemalt. Es ist oben auf einem Berg und es schneit. Deshalb ist alles weiss. Meine Schwester lernt Architektin. Die hat mir davon erzählt und das gefällt mir sehr. Ich denke, ich arbeite dann in einem Büro oder auch zu Hause. An den Job kommt man, indem man auf eine Baustelle geht und fragt: ‹Braucht ihr jemanden?› Ich glaube, so geht das. Bauarbeiterinnen gibt es wenige. Ich kenn keine. Das machen häufig Männer. Die denken, sie sind die stärksten. Aber mich stört das überhaupt nicht, ich kann das auch.»
Polizist
Jeremias (8): «Ich möchte Polizist werden. Nicht Bankräuber. Deshalb der Pfeil auf meinem Bild. Die Idee zu dem Beruf hatte ich bei meinem Opa. Mein Opa hat nämlich einen Fernseher. Wir nicht. Und im Fernsehen bei Opa habe ich was ganz Spannendes mit einem Polizisten gesehen. Das fand ich richtig gut, denn Polizisten fangen Diebe. Deshalb ist das ein sehr wichtiger Beruf. Was ich auf gar keinen Fall werden möchte? Germanys next Topmodel.»
Landwirtin
Maja (7½): «Ich möchte auf dem Bauernhof arbeiten. Auf dem Land mit Tieren und Pflanzen. Und ich möchte einen Beruf, der nicht so stressig ist. Meine Mama will immer alles gut machen, da ist sie manchmal im Stress. Das will ich nicht.»
Chemikerin
Allegra (8): «Ich möchte Chemikerin werden. Aber nicht Chemielehrerin. Schule zu geben finde ich nicht interessant. Obwohl – durch die Schule hab ich die Idee gekriegt. Da hatten wir nämlich das Thema «Atmung». Und ich hab Mama nachher gefragt, woraus so Atem besteht und wir haben das nachgeschaut. Ich fand das toll, dass es Formeln für ganz Kompliziertes gibt. Ich erfinde auch gerne Sachen. Deshalb wollte ich auch mal Patent-Anwältin werden, weil die auch mit Erfindungen zu tun haben. Ich rühr auch gerne Zeug zusammen und guck, was dabei rauskommt. Ich hab mal alle Getränke aus unserem Kühlschrank zusammengemixt. War sogar lecker. Eine Chemikerin nimmt vielleicht eine Probe von einem Gebirge, macht den Stein ganz klein, vermischt den mit einer Flüssigkeit und schaut, woraus der besteht. Wenn ich mal einen Mann habe, möchte ich, dass dann jeder das tut, wo der andere gerade keine Zeit zu hat. Wenn einer etwa telefoniert und das wichtig ist, kocht der andere oder wäscht ab. Ich glaube, eine Arbeit, die niemand so gerne macht, ist Bauarbeiter.»
Astronaut
Juri (7): «Mein Traumberuf ist Astronaut. Sehen Sie hier, das ist unsere Erde, die sieht vom All so grünblau aus. Da oben ist der Mond und das da ist der Jupiter. Es gibt auch einen Planeten mit einem Ring drum. Ich mache dann im All Fotos. Die Fotos schick ich runter, damit man sieht, was die mit unserer schönen Erde machen. Vielleicht ist die irgendwann gar nicht mehr schön grün. Ich heisse zufällig auch Juri, wie Juri Gagarin, der ist als erster ins All geflogen. Das weiss ich aus der Sendung mit der Maus. Ich weiss nicht, ob ein Astronaut viel Geld verdient. Aber das Geld brauche ich auch nicht, ich bleibe ja bei Mama und Papa.»
Salto-Macher
Moreno (11): «Ich habe noch keine Ahnung was ich werden will. Muss ich ja auch nicht. Ich mache furchtbar gerne Saltos. Das sieht man hier auf dem Bild. Später? Das sehe ich dann.»
Caren Battaglia hat Germanistik, Pädagogik und Publizistik studiert. Und genau das interessiert sie bis heute: Literatur, Geschichten, wie Menschen und Gesellschaften funktionieren – und wie man am besten davon erzählt. Für «wir eltern» schreibt sie über Partnerschaft und Patchwork, Bildung, Bindung, Erziehung, Erziehungsversuche und alles andere, was mit Familie zu tun hat. Mit ihrer eigenen lebt sie in der Nähe von Zürich.