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Hort nur für Reiche?
Von Bloggerin Nathalie Sassine-Hauptmann

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Bereits seit 2011 findet man die Schweiz immer zuoberst im OECD-Bericht der Ausgaben für Kinderbetreuung. Wir geben 4 Mal soviel aus, wie der OECD-Durchschnitt. CHF 26'000.- pro Jahr im Schnitt. Für eine alleinerziehende Mutter macht das schnell mal einen grossen Batzen ihres Lohnes aus.
Alleinerziehende haben es allgemein, aber im Kanton Obwalden noch mehr: das Nachsehen. Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist und bleibt in Sarnen leider ein Traum. Und wird für mässig Verdienende zusehends zum Albtraum. Wer sein Kind drei Tage in der Woche in den dortigen Hort bringen will, den kostet das 70 Franken pro Tag, also über 800 Franken im Monat. Für eine allein verdienende Mutter schlicht nicht zu bewältigen.
Wie es dazu kam? Obwalden wirbt mit seiner Standortattraktivität, 2009 führte man die Flatrate-Steuer ein, einem einkommensunabhängigen Steuersatz, der natürlich Neuzüger anziehen sollte. Man hätte davon ausgehen können, dass die so gewonnen Mehreinnahmen auch den weniger Verdienenden zugute kämen. Statt dessen wurden die Tarife bspw. der KITS (Kindertagesstätte für Schulkinder Sarnen) erhöht, so dass sich nun weniger Verdienende überlegen müssen, ihr Arbeitspensum anzupassen, Sozialhilfe zu beantragen oder ihren Wohnort zu wechseln. Die WOZ befragte zum Thema die Mitinitiantin der KITS: «Schon absurd. Mütter und Väter, die es finanziell nicht nötig hätten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, können ihr Kind in die Kits geben – und die, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen müssen, nicht.» Deshalb ist die Tagesstätte auch meist nur zur Hälfte gefüllt, obwohl viele auf einen Platz angewiesen wären.
Richtigerweise titelt die WOZ ihren Aritkel «Wo sind wir hier eigentlich?». In was für einem Land leben wir, wo Kinderbetreuung ein wahrhaftiger Luxus ist? Die SVP hat nun auch noch die Zeitmaschine angeworfen und anfangs Monat ein Referendum gegen die schulergänzenden Tagesstrukturen eingereicht. Begründen will sie dies mit Mehrkosten (what else?) und «Zwangseingriff» in die Gemeindeautonomie. Schliesslich sei Kinderbetreuung von 07.00 bis 18.00 Uhr «keine zwingende Staatsaufgabe».
Es ist immer dasselbe Klagelied: Von der Wirtschaft, man müsse Mütter wieder vermehrt ins Berufsleben integrieren. Von den Rechten, das koste alles zu viel. Dieselben Rechten wollen als Fachkräfte aber bitteschön keine Immigranten. Solange das nicht anders wird, werden normal verdienende Familien den Spagat zwischen Beruf, Finanzen und Familie wohl alleine bewältigen müssen. Und Alleinerziehende erst recht. Die Schweiz ist eben ein Land der Reichen.
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Nathalie Sassine-Hauptmann (1973) gehört zu den Müttern, die ihr schlechtes Gewissen wie ein Baby mit sich rumtragen. Dennoch würde sie ihren Beruf nie aufgeben. Mit ihrem Buch «Rabenmutter - die ganze Wahrheit über das Mutterwerden und Muttersein» spricht sie vielen berufstätigen Müttern aus der Seele. Denn als Unternehmerin weiss sie, dass ihre Kinder sie zwar glücklich machen, aber erst ihr Job ihr den Ausgleich garantiert, den sie braucht. Sie führt sowohl ihr Familienleben als auch ihre Firma mit viel Leidenschaft und macht sich in diesem Blog Gedanken zur Vereinbarkeit von beidem. Und sie hat keine Angst davor, sich eine Feministin zu schimpfen. Alle Blog-Beiträge von Nathalie Sassine-Hauptmann finden Sie hier.