Der Kaiserschnitt hinterlässt eine Narbe – manchmal auch auf der Seele.
Ich bin eine Kaiserschnittmama. Unsere Tochter wurde nach langen Stunden Wehen per Sectio geholt; Diagnose: Geburtsstillstand. Die ersten Tage und Wochen nach der Geburt habe ich gelitten, nicht nur körperlich. Ich habe viel geweint, mich als Versagerin gefühlt und nicht verstanden, warum ich – gerade ich! – es nicht geschafft habe, unsere Tochter auf natürliche Weise zur Welt zu bringen. Als die Physiotherapeutin in der Rückbildungsstunde kurz nach der Geburt im Spital gefragt hat, wer normal und wer via Kaiserschnitt geboren hat, wäre ich am liebsten davongerannt. Merci fürs «abnormal», gell. Die körperliche Narbe ist gut verheilt, die Narbe auf der Seele schmerzt immer noch.
Der Kaiserschnitt ist Fluch und Segen: er kann Leben retten und ist zweifelsohne eine gute Errungenschaft der modernen Medizin. Er wird jedoch – zu dem Ergebnis komme ich jedenfalls mit meiner Recherche – inflationär eingesetzt. Abgesehen vom Wunschkaiserschnitt und vom notwendigen Kaiserschnitt aufgrund medizinischer Indikation (Plazenta Praevia und dergleichen) ist es meist der sekundäre Kaiserschnitt unter der Geburt, der Mütter aus der Bahn wirft. Nicht alle, aber einige. Wer gut klarkommt mit seiner Sectio: Super! Wer nicht gut klarkommt, hört: «Vergiss das! Hauptsache, das Kind ist gesund, oder?» Ja, klar. Absolut. Das ist nicht selbstverständlich. Trotzdem darf und soll eine frischgebackene Mutter trauern können, wenn ihr der Kaiserschnitt auf der Seele wehtut. Ein Trauma ist ein Trauma, egal welcher Herkunft.
Was mich traumatisiert hat, ist der behandelnde Arzt. Er hat an mir herumhantiert wie ein Carosseriespengler an einem kaputten Auto. Er hat unter der Geburt interveniert, ohne mich zu fragen, ob ich das will. Er hat mich nach der Operation nicht ernst genommen, als ich vor Schmerzen gebrüllt habe. Mein Baby habe ich sechs Stunden nach dem Kaiserschnitt zum ersten Mal neben mir im Bettchen liegen sehen. Bei mir lief einiges schief. Hätte ich gewusst, was ich heute weiss, wäre es vielleicht anders gekommen. So ist zum Beispiel liegend gebären in etwa die gebärunfreundlichste aller Positionen und endet des Öfteren im Geburtsstillstand, weil das Becken sich nicht weiten kann (das übrigens kein starrer Knochenring ist; in der Hocke gebären öffnet das Becken bestmöglich).
Kaiserschnitte sind ein Segen, wenn sie notwendig sind, wenn sie für Mutter und Baby das Beste sind. Mein Wunsch an alle Geburtshelfer und Gynäkologen ist, dass sie diese (schwere!) Operation mit Bedacht einsetzen und die Mütter möglichst in ihren eigenen Wünschen unterstützen. Die Geburt ist ein Ausnahmezustand. Natürlich fragt am 18. Geburtstag des Kindes niemand nach der Geburtsart, aber für viele Frauen ist das Erlebnis einschneidend. Ich persönlich suche noch meinen Frieden mit dem Erlebten. Ich weiss jetzt aber, dass ich nicht versagt habe. Und ja, mein Baby ist gesund. Das ist alles, was zählt.
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Bloggerin Claudia Joller
Claudia Joller ist 1984 im Fricktal geboren und hat sich ins Luzerner Exil abgesetzt. Sie unterrichtet Wirtschaft und Gesellschaft an einer Berufsschule und ist seit Februar 2016 Mutter einer kleinen Tochter. Seit der Geburt ist eigentlich so gut wie gar nichts mehr, wie es vorher war und sie ist staunend freudig gespannt, was die Reise mit dem kleinen Leben an der Hand noch für Abenteuer für sie bereit hält.
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