Kinderknochen
Röntgen mit Teddy

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Kinderknochen sind biegsam. So stark, dass sie in der Medizin mit grünem Holz verglichen werden. Wie bei einem grünen, weichen Stück Holz, das bei starker Überdehnung nicht gleich bricht, lassen sich auch die Kinderknochen, vor allem die langen Röhrenknochen von Armen und Beinen, bis zu einem gewissen Grad biegen. Dies ist möglich, weil die Knochensubstanz noch nicht ganz ausgehärtet ist.
- Sich im Vorfeld erkundigen, was alles ausprobiert werden darf, damit sich ein Kind auf die Ausnahmesituation möglichst gut vorbereiten kann.
- Sind Mutter und/oder Vater mit dabei beim Untersuch, erleichtert das die Aufgabe meistens.
- Was braucht das Kind, damit es sich wohlfühlt? Nuggi, Schoppen, Stofftier, Büchlein mitnehmen.
- Es hilft, wenn der Teddy vorausgeht und die Untersuchung mal zum Scheine über sich ergehen lässt und das Kind, die Rolle des Untersuchers übernehmen darf.
- Röntgeninstitute mit speziell ausgebildeten Kinderradiologen (hauptsächlich in Kliniken) nehmen Rücksicht und investieren viel Zeit abseits jeder eigentlichen Untersuchung.
Wenn ein Mediziner von einer Grünholzfraktur spricht, meint er einen unvollständigen Knochenbruch, bei dem sich aussen am Knochen selten etwas erkennen lässt. Das betroffene Kind hat kaum Schmerzen. Innen aber sind Strukturen zerstört. Rund ein Viertel aller Unterarmschaftfrakturen bei Kindern sind Grünholzfrakturen. Bleiben sie unerkannt, beeinträchtigen sie das Wachstum: Es kann zu Missbildungen kommen. Und damit zu komplizierten Eingriffen in späteren Jahren.
Verhält sich das Kind unauffällig, lasse sich eine Grünholzfraktur nur im Röntgen erkennen, sagt Olaf Magerkurth, Facharzt FMH für Diagnostische Radiologie mit Spezialgebiet Pädiatrische Radiologie und Leitender Arzt am Institut für Radiologie am Kantonsspital Baden. Kinderradiologinnen und –radiologen sind Spezialärzte. Nach dem Studium der Human-Medizin investieren sie für den Titel eines Facharztes in Diagnostischer Radiologie weitere fünf Jahre, um danach noch zwei weitere Jahre für die Zusatzausbildung zum pädiatrischen Radiologen anzuhängen.
Ultraschall
Lenn ist zwei Jahre alt. Ein aufgeweckter kleiner Kerl. Was ihn interessiert, sind die Geräte der Radiologie. Was ihn nicht interessiert, ist der anstehende Untersuch. Er drückt auf Tasten, die blinken, staunt über nie gesehene Bilder auf den Bildschirmen und darf auch mal auf dem Untersuchungstisch rauf und runter fahren. Lenn soll sich an die Apparate gewöhnen und erfahren, dass hier nichts weh tut.
Das Ärztezentrum Limmatfeld lässt seine kleinen Patienten lange gewähren, damit der eigentliche Untersuch möglichst kurz ausfällt. Nichtsdestotrotz: Die anstehende Ultraschalluntersuchung rückt näher. Da muss Lenn durch. Geplant ist eine Bauchsonographie. Sie soll Auskunft über eine mögliche Entzündung des Blinddarms geben. Martin Unterweger nimmt's gelassen. «Die Kinderradiologie braucht vor allem eines – Geduld», sagt der Arzt. In der Zwischenzeit erklärt er Lenn, wie so ein Ultraschallgerät funktioniert und wozu es dieses etwas klebrige Gel braucht.
Lenn mag noch nicht. Er sträubt sich gegen den Untersuch. Das Ding, das seinen Bauch berühren soll, ist ihm immer noch etwas unheimlich. Gut Ding will eben Weile haben, vor allem in der Kinderradiologie.
Ein bisschen Gemütlichkeit
Das Vermögen sich einzufühlen, beschreibt Magerkurth als eine der wichtigsten Voraussetzungen, neben der rein fachlichen Qualifikation, die Kinderradiologen mitbringen müssen. «Kinder reagieren anders auf ungewohnte Situationen. Und zwar nicht einheitlich, sondern jedes auf seine ganz eigene Art und Weise. Diesen Umstand gilt es bei jedem radiologischen Untersuch zu berücksichtigen und dementsprechend ist auch immer mehr Zeit einzuplanen als für eine Untersuchung an einem erwachsenen Patienten», sagt Magerkurth. Sein Kollege Georg Eich vom Kantonsspital Aarau sagt: «Ein ruhiges Kind vereinfacht jede Untersuchung. Ein mitgebrachter Nuggi, ein Schoppen, ein persönliches Spielzeug oder aber ein Lieblingsbuch zum Vorlesen sind oft sehr hilfreich.» In den Untersuchungsräumen befänden sich auch Fernseher mit DVD-Playern. Sein persönlicher Favorit sei «Das Dschungelbuch», verrät der Leiter der Radiologie an der Klinik für Kinder und Jugendliche am Kantonsspital Aarau und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft Pädiatrische Radiologie (SGPR). Bär Balus Rat an Mogli, doch alles mit mehr Ruhe anzugehen, trifft den Kern der Sache.
Ruhe kehrt schliesslich auch bei Lenn ein. Die Ultraschalluntersuchung reine Routine. Der Befund: negativ. Was positiv ist. Alles in Ordnung. Die Bilder zeigen nichts Auffälliges.
Keine Nebenwirkungen
Die Sonographie ist das wichtigste bildgebende Verfahren in der Kinderradiologie. Sie wird bei Kindern viel häufiger angewendet als bei Erwachsenen. Aus guten Gründen: Eine Untersuchung mit Ultraschall hat absolut keine Nebenwirkungen. Sie kommt ohne ionisierende Strahlung aus. Und sie ist – auch nicht unwichtig – äusserst kostengünstig. Ultraschallbilder von Kindern sind qualitativ meist besser als vergleichbare Bilder von Erwachsenen. Die kleineren Kinderkörper mit einem geringeren Volumen bieten den Ultraschallwellen geringeren Widerstand. Die Qualität der Bilder reicht sehr oft aus, dass auf eine Magnetresonanz- oder eine Computertomographie verzichtet werden kann, fordert aber die Kinderradiologen in ihrer ganzen Kompetenz. Die Bilder zu befunden, das heisst, das was zu sehen ist, richtig zu interpretieren, stellt hohe Anforderungen und verlangt viel Können und Erfahrung.
MRI, MRT, CT
Ist eine Magnetresonanztomographie (MRT oder MRI) unerlässlich, kann es sein, dass auch kleine Patienten sediert werden müssen. Dabei ist es vielfach nicht die Enge der Röhre, die Angst macht und den Untersuch erschwert, sondern das rund dreissig minütige Stillliegen. Was ältere oft problemlos schaffen, ist für Kinder unter fünf Jahren kaum zu machen. Gleiches gilt für die Computertomographie (CT). Ein wichtiges Verfahren um zu beurteilen, ob ein Kind nach einem Sturz auf den Kopf an einer Hirnblutung leidet.
Im Gegensatz zu MRI und Ultraschall arbeiten Röntgen, CT und Durchleuchtung mit ionisierender Strahlung. Moderne Radiologie-Institute verfügen über eine Software, die feinste Dosierungen zulässt. Dabei entscheidet die Radiologin oder Radiologe wie viel es genau braucht.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ein Thorax-Röntgenbild in etwa der Strahlenbelastung eines sonnigen Tages entspricht, die uns alle trifft, wenn wir uns vorwiegend draussen aufhalten. Im Vergleich: Bei einem CT-Untersuch liegt die Strahlenbelastung bei rund 100 Tagen. Darum kommen CT-Untersuchungen bei Kindern selten zur Anwendung.
Ein paar Schlucke Blaubeersaft
Auch die Kinderradiologie ist zur klaren Darstellung des Magen-Darm-Traktes im Magnetresonanztomographen auf ein Kontrastmittel angewiesen. Gelegentlich muss das Blut angefärbt werden, um zum Beispiel Entzündungen nachzuweisen oder einen Tumor auszuschliessen. Die Kontrastmittel im MRI basieren auf Basis von Gadolinium, chemisch eine seltene Erde im Periodensystem. Sie sind ausgezeichnet verträglich und werden schnell über die Nieren wieder ausgeschieden. Die Ausscheidung kann man natürlich mit genügend Flüssigkeitszufuhr, zum Beispiel mit Tee, nach der Untersuchung unterstützen. Gelegentlich muss auch der Magen-Darm-Trakt mit einem Kontrastmittel gefärbt werden. Ein an Mangan und Eisen reicher Blaubeersaft eignet sich als Kontrastmittel ganz hervorragend. Kaum ein Kind, dem der dunkle Saft nicht schmecken würde.