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Haben Männer ein Recht auf Abtreibung?

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Nicht nur in Schweden, auch in der Schweiz und anderswo wird die Idee, Männer könnten und sollten ein Recht darauf haben, eine Abtreibung einzufordern oder zu unterbinden, kontrovers diskutiert. Mir scheint das ein nachvollziehbarer, wenn auch sehr anmassender Wunsch zu sein. Nachvollziehbar, weil ich es begrüsse, wenn Männer für jede Form von Familienplanung Verantwortung übernehmen und es nicht fair ist, wenn sie ab einem gewissen Zeitpunkt über ihre Köpfe und ihren ausdrücklichen Willen hinweg stattfindet. Anmassend, weil wir als Gesellschaft noch nicht annähernd so weit sind, dass ein konkretes (Veto)Recht überhaupt in Betracht gezogen werden könnte. Wir haben in weiten Teilen noch nicht mal angefangen, über die neuralgischen Punkte in Sachen Gleichberechtigung zu sprechen, behaupten aber schon mal zur Beruhigung, sie sei fest installiert. Dabei sind die Fakten, insbesondere für Frauen, alles andere als beruhigend (und sehen in Deutschland so aus):
- 90 % aller Alleinerziehenden sind Frauen.
- Mehr als die Hälfte der unterhaltspflichtigen Väter zahlt zu wenig, unregelmässig oder gar keinen Unterhalt.
- Für über eine halbe Million Kinder muss das Jungendamt Unterhaltsvorschuss leisten.
- Väter arbeiten mehr als ihre kinderlosen Kollegen. Zugleich verbinden sie Elternschaft mit weniger Stress und Verzicht als Mütter und sind mehrheitlich davon überzeugt, dass sie wegen ihrer Vaterschaft auf überhaupt nichts verzichten müssten.
Wie kann Mann in so einer Situation ernsthaft von Frauen erwarten, dass sie hinter dem obligatorischen Satz «Schatz, es ist das Beste für uns» etwas anderes vermuten als ein egoistisches «Es ist das Beste für mich»? Sei es nun, dass der Mann darauf drängt, das Kind abtreiben oder austragen zu lassen. In beiden Fällen sind Frauen nicht nur die, deren Autonomie angetastet und über deren Körper verfügt werden soll, sondern eben auch die, für die grundsätzlich viel mehr auf dem Spiel steht. Und zwar unabhängig davon, ob sie an einen Mann geraten sind, der tatsächlich meint, was er sagt und sich um die bestmögliche Lösung für alle Beteiligten und nicht nur für sich bemüht. Ein Blick auf die soziale Realität muss sie daran zweifeln lassen.
Bevor diese Verhältnisse nicht geklärt sind, macht es keinen Sinn, weitergehende Forderungen zu erheben. Erst wenn Männer mehrheitlich in gleichberechtigter Weise Verantwortung übernehmen, können sie einfordern, an Verlässlichkeit gemessen zu werden. Und dann sehen wir weiter.
Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.