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Ich würde kämpfen

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Wie würd ich da reagieren?
Das habe ich mich erst wieder gefragt, als der Fall Flaach wieder ein Thema wurde. Was mich bei dieser tragischen und tödlichen Geschichte als Opi am meisten berührt, ist die Tatsache, dass die Grosseltern im Verlauf des Verfahrens offenbar gar nicht angehört wurden. Die Behörde hat entschieden, die Kinder im Heim zu platzieren, ohne alle Möglichkeiten wirklich abzuklären. Das finde ich äusserst bedenklich.
Natürlich wär es schwierig, müsste ich plötzlich die volle Verantwortung für beide übernehmen, rund um die Uhr für sie da sein, plötzlich eine ganz andere Rolle spielen, als die des lieben Opis. Ich kann alle diese Argumente, die dagegen sprechen und die hier von der Historikerin Heidi Witzig ausführlich dargelegt werden, rational nachvollziehen. Der Verstand ist aber bei dieser Angelegenheit nicht das einzige Kriterium. Da gibts auch ein Herz, und das sagt was anderes als der Verstand.
Darum nochmals die Frage: Wie würde ich reagieren, gesetzt den Fall, es fiele ein solcher Entscheid über meine Enkeln?
Ich würd für meine Enkel kämpfen, auch wenn ich aus dem Stand grad nicht wüsste, wie wir Omis und meinen Berufsalltag organisieren müssten, um das zu schaffen. Aber wenn es sein müsste: organisieren liesse sich das.
Ich würd kämpfen, auch wenn ich nicht wüsste, ob ich die Kraft hätte, mich mit den Behörden und ihren Auflagen herum zu schlagen. Ich nähme mir die Kraft und würd es einfach tun.
Ich würd kämpfen, weil viel Herzblut und viel Liebe an meinen Enkeln hängt. Und diese ist stärker als aller Verstand.
Ich würd kämpfen, weil ich hellhörig werden, wenn der Staat zu wissen meint, was am besten ist für seine Bürger ist. Man verstehe mich richtig: Ich bin der Letzte, der den in vielen harten Abstimmungskämpfen errungenen Sozialstaat in Frage stellt. Aber wenn dieser seine Bürger in der Meinung entmündigt, nur das Beste zu wollen, dann kommt das selten gut. Denn das Beste ist zu allen Zeiten relativ, wird immer wieder neu definiert. Und für dieses vermeintlich Beste musste der Staat im Nachhinein schon öfters kleinlaut zu Kreuze kriechen und sich zum Beispiel bei Verdingkindern, Fahrenden, missbrauchten Heimkindern und andern Randständigen entschuldigen.
Darum: Ich würd kämpfen.
Martin Moser (1959), Produktionschef Tageszeitungen der AZ Medien, ist seit 30 Jahren verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Er hat zwei Enkel (Lionel, 2011, und Enyo, 2014) und legt auch mal einen Opi-Tag ein. Bloggt für «wir eltern» über Opi-Kinder-Enkel-Erlebnisse und -Beziehungen und kramt auch mal in seinen eigenen Erinnerungen.