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Die armen Kinder glücklicher Eltern

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Es gibt Dinge im Leben, die man sich mit Phantasie, umfassender Recherche und guten Ratschlägen einigermassen ausmalen kann. Kinder gehören nicht dazu. Es mag sein, dass einige der Pläne aufgehen, die man sich im Vorfeld zurecht gelegt hat, aber was dieser Schlafmangel dann wirklich mit einem macht oder wie sehr man mit seinen Aggressionen ringt, wenn ein kleines Kind, das sich vor lauten Geräuschen fürchtet, gerne und aus vollem Hals herumbrüllt, damit rechnet man einfach nicht. Und das ist noch nicht alles. Vieles lässt sich in Bezug auf Kinder gedanklich zumindest anreissen, wenn auch in seiner Tiefe und Komplexität nicht erfassen. Auf anderes kommt man nicht. Nicht mal ein bisschen.
Ich zum Beispiel hätte mir nicht träumen lassen, dass die glückliche Beziehung zwischen meiner Lebenskomplizin und mir für unsere Kinder mal ein Problem werden könnte. Tatsächlich denke ich darüber in letzter Zeit häufiger nach. Wenn ich meine zwölfjährige Tochter anschaue und mir einfällt, dass ich ihre Mutter in dem Alter schon kannte (und mich in sie verliebt habe). Oder wenn sich wieder mal ein Elternpaar im Freundeskreis trennt und die Kinder einen anschauen, als käme man von einem fremden Planeten. Sind wir ja auch irgendwie. Wir mögen uns auch nach über 20 Jahren Beziehung noch ziemlich offensiv und stehen knutschend in der Küche, während die Grossen über uns angeekelt-belustigt die Köpfe schütteln.
Nicht missverstehen bitte: Das ist natürlich Jammern auf extrem hohem Niveau. Ich will mich auch gar nicht beschweren. Ich hätte nur nicht damit gerechnet, dass mich DAS mal beschäftigen würde. Als Scheidungskind mit (sagen wir einfach mal) wechselvoller Kindheit galt mir das immer als Menetekel: Trennung, unglückliche Eltern, Streit, Brüllen, solche Sachen. Nun aber frage ich mich, ob wir mit unserer Beziehung nicht ein unrealistisches, erdrückendes Ideal vorleben. Im Sinne von: Man muss sich nicht so lange kennen und mit seiner Jungendliebe vier Kinder machen. Trennung darf ruhig dazugehören, genauso wie wechselnde Beziehungen. Ich will nicht, dass meine Kinder vor Beziehungen zurückschrecken, nur weil sie nicht mit einer Zwanzig-Jahres-Garantie versehen sind (das war unsere aber auch nicht).
Ich kann es aber letztendlich nicht verhindern. Will ich auch gar nicht. Das hiesse ja, absichtlich die Beziehung zur Liebsten runterzudimmen und kein wildes Küchengeknutsche mehr. Nix da! Zumal auch dann nicht klar ist, was aus allem wird. Also machen wir Eltern einfach weiter wie bisher: Mit Abwarten und Rumknutschen.
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Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.