Blog
Kindergarten-Lehrer: Der Generalverdacht
Von Bloggerin Nathalie Sassine-Hauptmann

istockphoto

zvg
Lust auf mehr? Folgen Sie «wir eltern» auf Facebook!
«Ganz kritisch wird es, wenn Männer im Kindergarten arbeiten und Windeln wechseln sollen. Das hätte einen Aufstand in der Öffentlichkeit zur Folge.» So die Leiterin des Kindergartens Baden diesen Montag zum Tages Anzeiger. Im Artikel ging es darum, dass Kinder immer früher eingeschult würden, was zur Folge habe, dass pro Kindergarten ein Kind noch nicht trocken sei.
Ob das nun praktisch ist, wenn Kindergartenkinder noch nicht trocken sind, sei mal dahingestellt. Es gibt ja auch Windeln, die man locker 4 Stunden an haben kann, ausser beim grossen Geschäft.
Aber dieser eine Satz fühlte sich wie eine Ohrfeige an. Soweit sind wir jetzt also, dass Berufspädagogen ihren Beruf eben nicht mehr so ausüben dürfen, wie gedacht. Natürlich hat ein Lehrer seine Ausbildung nicht gemacht, um Windeln zu wechseln oder Kinderfudis zu putzen. Aber wenn es mal nötig ist, soll er das nicht dürfen, weil es einen «Aufstand» geben würde?
Das heisst konsequenterweise, dass nur Frauen die Dinge tun dürfen, die Körperkontakt erfordern? Konkret:
- Trösten
- Im Turnen auf die Sprossenwand helfen
- Beim Anziehen helfen, wenn es mal klemmt
- Sich neben ein Kind setzen, um zu helfen.... Oder geht das zu weit?
Wo hört das auf? Als Frau eines Vaters, der oft und gerne seine Kinder von der Schule abholt, mussten wir leider selber schon feststellen, dass er in der Garderobe nicht erwünscht war (und wir reden hier von Vorschulkindern, also damals 3 Jahre alt). Es ging damals darum, dass er seiner Tochter in die Leggings helfen wollte, weil sie verschwitzt wie sie war, nicht so gut reinkam. Prompt wurde er von einer Mutter rausbefördert, er habe als Mann in der Mädchengarderobe nichts verloren. Tatsächlich war (und ist) er der einzige Vater im Dorf, der seine Kids mal von der Schule abholt und das nicht als «Mutti macht das schon» abtut. Das hat er nun davon.
Wieso soll sich ein Mann überhaupt noch zum (Kidnergarten-)Lehrer ausbilden, wenn er dann sofort unter Generalverdacht steht? Heisst das nicht, dass wir weiterhin bzw. vermehrt eine Verweiblichung der Schule erfahren werden? Und heisst es nicht auch, dass die «Scheissarbeit» wieder an den Lehrerinnen – also den Frauen – hängen bleibt?
Tun wir uns wirklich einen Gefallen damit, alle Männer, die Kontakt zu Kindern haben, zu verdächtigen und zu verunglimpfen? Ich glaube nicht. Ihr?
Nathalie Sassine-Hauptmann (1973) gehört zu den Müttern, die ihr schlechtes Gewissen wie ein Baby mit sich rumtragen. Dennoch würde sie ihren Beruf nie aufgeben. Mit ihrem Buch «Rabenmutter - die ganze Wahrheit über das Mutterwerden und Muttersein» spricht sie vielen berufstätigen Müttern aus der Seele. Denn als Unternehmerin weiss sie, dass ihre Kinder sie zwar glücklich machen, aber erst ihr Job ihr den Ausgleich garantiert, den sie braucht. Sie führt sowohl ihr Familienleben als auch ihre Firma mit viel Leidenschaft und macht sich in diesem Blog Gedanken zur Vereinbarkeit von beidem. Und sie hat keine Angst davor, sich eine Feministin zu schimpfen. Alle Blog-Beiträge von Nathalie Sassine-Hauptmann finden Sie hier.