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Sexuelle Nötigung: «Wieso konntest du nicht deine Knie zusammenhalten?»
Von Bloggerin Nathalie Sassine-Hauptmann

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zvg
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Der kanadische Bundesrichter Robin Camp riskiert eine Amtsenthebung nachdem er unangemessene und unsensible Bemerkungen während einer Verhandlung gemacht hat. Oder anders gesagt: Er war völlig daneben. Er fragte – gemäss CNN - namentlich ein Vergewaltigungsopfer, wieso sie sich das hätte gefallen lassen, statt die Knie zusammenzupressen. Auch hätte sie doch ihr Becken anders positionieren können, um den Vergewaltiger daran zu hindern, sie an einem Lavabo lehnend zu missbrauchen. Lasst das mal setzen.
Ach und übrigens wollen junge Frauen sowieso Sex, gerade wenn sie betrunken sind. Derselbe Bundesrichter meinte, das geschehe dann halt schon auch mal gegen ihren Willen. Shit happens sozusagen.
Ich weiss ja nicht, wie es euch geht, aber ich verspüre eine enorme Wut. Und stelle mir vor, die Kleine sei meine Tochter oder mein Gottimaitli. Huere Siech! Schon beim Gedanken daran, dass jemand eine Vergewaltigung erleben muss, dreht sich mir der Magen um. Dass eine öffentliche Person, von der man sich vielleicht sogar Hilfe verspricht, einen auch noch anzweifelt und für dumm verkauft ist unerträglich!
Dies ist ein extremer Fall. Doch wie oft haben wir schon gehört, wenn nicht gar selbt gedacht: «Bei dem Outfit hat sie es doch provoziert.» Oder «Sie hat ihn doch den ganzen Abend angemacht.» Oder ganz schlimm: «Jungs können sich halt nicht beherrschen.»
Bevor mich irgendwer hier wieder als männerhassende Emanze verschreit, ich rede keineswegs nur von Männern. Gerade Frauen neigen oft dazu, andere Frauen zu verurteilen.
So sass ich vor Kurzem in einer Diskussionsrunde, bei der es darum ging, was Mädchen in der Oberstufe tragen und wie das für die Lehrer so ist. Schwierig, gaben einige zu. Man müsse dann schon verstehen, wenn ein Lehrer Stielaugen mache. Das gleiche gelte natürlich für die Mitschüler.
Na ja, Stielaugen sind das eine. Anfassen was anderes. Denn nochmal für alle zum Mitschreiben (und hier ist es nun wirklich völlig egal, ob Männlein oder Weiblein). NIEMAND wird angefasst oder Schlimmeres, wenn sie/er das nicht will. Vergewaltigung geht NIE. Ohne Ausnahme! In missverständlichen Lagen, muss ein einfaches «Nein» genügen. Egal, wie die Knie gerade stehen, ob ich halb nackt durch die Gegend renne, zuviel getrunken oder lasziv getanzt habe.
Ein junges Mädchen wird kaum einen Jungen, einen Mann je daran hindern können, zu gucken. Für alles andere sollte sie aber keinen Richter benötigen, der ihr auch noch dumm kommt. Denn die Sache ist ganz einfach. Oder was meint ihr?
Nathalie Sassine-Hauptmann (1973) gehört zu den Müttern, die ihr schlechtes Gewissen wie ein Baby mit sich rumtragen. Dennoch würde sie ihren Beruf nie aufgeben. Mit ihrem Buch «Rabenmutter - die ganze Wahrheit über das Mutterwerden und Muttersein» spricht sie vielen berufstätigen Müttern aus der Seele. Denn als Unternehmerin weiss sie, dass ihre Kinder sie zwar glücklich machen, aber erst ihr Job ihr den Ausgleich garantiert, den sie braucht. Sie führt sowohl ihr Familienleben als auch ihre Firma mit viel Leidenschaft und macht sich in diesem Blog Gedanken zur Vereinbarkeit von beidem. Und sie hat keine Angst davor, sich eine Feministin zu schimpfen. Alle Blog-Beiträge von Nathalie Sassine-Hauptmann finden Sie hier.