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Ernährung
Kinderernährung: 12 Fragen und Antworten
Wie ernähre ich mein Kind gesund und ausgewogen? Auf Eltern prasseln viele, teils widersprüchliche Aussagen ein. Ein Buch, geschrieben von einer Ernährungsberaterin und einem Magen-Darm-Spezialisten, hilft Eltern, zwischen Mythen und Fakten zu unterscheiden.
Ein Magen-Darm-Spezialist für Kinder und eine Ernährungsberaterin haben zusammen ein Buch geschrieben, zu dem sich der im November 2020 verstorbene Kinderarzt Remo Largo mit den Worten zitieren lässt: «Auf all die zahlreichen Fragen, die Eltern, Erziehungsberechtigte und auch Fachpersonen beschäftigen, haben George Marx und Andrea Mathis alltagstaugliche Antworten gefunden.»
Die Autoren von «Kinderernährung. Expertenwissen für den Alltag» schreiben ihrerseits einleitend, dass Fragen zur Kinderernährung in ihren Sprechstunden stetig zunehmen und komplexer werden. Eltern setzen sich stärker mit Ernährungsfragen auseinander, finden widersprüchliche Informationen und sind verunsichert.
Das Buch solle einen Beitrag dazu leisten, Fehlernährung und Fehlinterpretation zu verhindern.
Aus dem Buch der beiden St. Galler George Marx und Andrea Mathis haben wir nachfolgend zwölf Themen herausgepickt und als Frage-Antworten in aller Kürze aufbereitet.
1. Sind Koliken von Säuglingen durch die Ernährung der Mutter beeinflusst?
2. Kann ich mein Kind
vor einer Lebensmittelallergie bewahren?
3. Bekommt mein Kind
ausreichend Vitamine und Mineralstoffe?
4. Sind die neuen Ampelsysteme auf
Lebensmitteln hilfreich, um eine gesunde Ernährung für das Kind zu garantieren?
5. Ist es schädlich, wenn sich ein Kind vegan ernährt?
6. Darf mein Kind auf den Boden
gefallenes Essen verzehren?
7. Ist Blattsalat wirklich so gesund?
8. Kochen oder Tiefkühlen:
Was ist besser für die Vitamine?
9. Wie gefährlich ist Zucker?
10. Die einen verteufeln sie, die anderen verherrlichen sie: die Kuhmilch. Wer hat recht?
11. Glutenfreies Essen gilt als gesund. Gilt dies auch bei Kindern?
12. Soll ich mein Kind zwingen,
neue Lebensmittel zu probieren?
1. Sind Koliken von Säuglingen durch die Ernährung der Mutter beeinflusst?
Wenn eine stillende Mutter gewisse Nahrungsmittel weglässt, zum Beispiel blähendes Gemüse wie Kohl, Zwiebeln, Knoblauch kann dies tatsächlich schon manche Kolik verhindern. Doch längst nicht immer. Die Ursachen können sehr verschieden sein, die Suche
danach aufwendig. Häufig lässt sich Koliken aber auch vorbeugen mit dem probiotischen Keim Lactobacillus reuteri, der auch in der Muttermilch vorkommt.
2. Kann ich mein Kind vor einer Lebensmittelallergie bewahren?
Stillen hat einen präventiven Effekt: Damit eine Allergie möglichst nicht entsteht, empfiehlt es sich die Neugeborenen die ersten vier bis sechs Lebensmonate ausschliesslich zu stillen, sofern möglich. Dies gilt vor allem dann, wenn Eltern bereits eine bekannte Allergie haben. Ganz verhindern kann man die Entwicklung einer Lebensmittelallergie allerdings nicht. Wenn eine solche Allergie beim Kind bereits bekannt ist, dann sollte man dieses Nahrungsmittel
vermeiden. Lebensmittelallergien gehören zu den häufigsten nichtübertragbaren Krankheiten im Kleinkindesalter. Eine einheitliche Behandlung gibt es nicht.
3. Bekommt mein Kind ausreichend Vitamine und Mineralstoffe?
Eltern brauchen sich in der Regel dazu wenig Sorgen zu machen, wenn sie dem Kind ein gutes Vorbild sind und selbst die täglich empfohlenen fünf Portionen Gemüse und Obst in verschiedenen Farben zu sich nehmen. Früchte sollen in erster Linie gegessen und nicht getrunken werden.
Wichtig ist diese Vorbildfunktion vor allem in den ersten zwei, drei Lebensjahren, denn ein Kind eignet sich die Verhaltensweisen durch Imitieren an. Das Imitationsverhalten und das soziale Lernen sind der stärkste Lerntrieb des heranwachsenden Kindes.
4. Sind die neuen Ampelsysteme auf Lebensmitteln hilfreich, um eine gesunde Ernährung für das Kind zu garantieren?
Wer sein Kind gesund ernähren will, muss zunächst die Lebensmittel im Geschäft beurteilen können. Zu diesem Zweck hat sich in den letzten Jahren die Nährwert-Kennzeichnung von Lebensmitteln mit einer Farb- und Buchstabenskala immer mehr durchgesetzt. Diese liefert einen raschen Überblick über die Nährwertqualität
eines Produkts. Der «Nutri-Score» ist das am häufigsten verwendete Ampelsystem in Europa. Es ist ein leicht verständliches Hilfsmittel mit bekannten Farben, die als schnelle Orientierungshilfe
dienen und kann deshalb durchaus eine Hilfe sein. Der Nachteil dieses Systems ist: Es gibt keine Auskunft über Anbau, Tierhaltung, Zutatenliste oder Allergene und Süssstoffe.
5. Ist es schädlich, wenn sich ein Kind vegan ernährt?
Entscheidend ist, dass das Kind bedarfsgerecht ernährt wird. Das bedeutet, dass das Kind ausreichend Nährstoffe, Vitamine und Mineralien erhält. Dies setzt eine gezielte und bewusste Lebensmittelauswahl voraus. Besondere Beachtung verdient bei veganer Ernährung der Vitamin-B12-Haushalt, wie auch Protein, Eisen, Jod, Zink, Kalzium, Vitamin B2, Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren.
Fachleute empfehlen die vegane Ernährung im Säuglings- und Kindesalter nicht. Sollte der Wunsch danach trotzdem gross sein, kann eine vegane Ernährung auch bei Kindern in Zusammenarbeit mit einem Arzt und einer Ernährungsberaterin möglich sein. Regelmässig
Laborkontrollen sollten jedoch gemacht werden, um
Ernährungsdefizite zu vermeiden.
6. Darf mein Kind auf den Boden gefallenes Essen verzehren?
Ja, wenn der Boden sauber ist und es die hygienischen Verhältnisse zulassen. Eine allgemeine Regel gibt es nicht. Viele Wissenschaftler sind skeptisch der «Drei-Sekunden-Regel» gegenüber: Gemäss dieser Regel dürfen auf den Boden gefallene Lebensmittel unbedenklich
verzehrt werden, wenn sie innerhalb von drei Sekunden
aufgehoben werden.
7. Ist Blattsalat wirklich so gesund?
Wer Blattsalat isst, hat eigentlich praktisch nichts gegessen. Denn er besteht aus 95 Prozent Wasser. Der Nährwert-, Vitamin- und Ballaststoffgehalt ist tief. Blattsalat gehört damit zu den am meisten überschätzten Lebensmitteln.
8. Kochen oder Tiefkühlen: Was ist besser für die Vitamine?
Kocht man Gemüse lange in viel Wasser, dann geht ein Grossteil der wasserlöslichen Vitamine, etwa Vitamin C und verschiedene B-Vitamine, verloren. Kurz gegartes Gemüse hingegen behält die meisten Vitamine. Wird Gemüse unmittelbar nach der Ernte schockgefroren, bleiben die Vitamine weitgehend erhalten. Unter Umständen kann aufgetautes Gemüse sogar einen höheren Vitamingehalt aufweisen als Frischgemüse im
Supermarkt, das oftmals schon ein paar Tage gelagert wurde,was bestimmten Vitaminen schlecht bekommt. So zerfallen beispielsweise die Vitamine C, A, B2 oder B6 unter dem Einfluss von Luft und Licht rasch.
9. Wie gefährlich ist Zucker?
Das hängt stark von der Menge ab. Zucker soll im Alltag wohldosiert und bewusst eingesetzt werden, für Kleinkinder erst recht. Bis zum Alter von zwölf Monaten sollte auf Nahrungsmittel mit Zuckerzusätzen verzichtet werden. Die empfohlene Höchst-Zuckermenge
für zwei- bis dreijährige Kinder beträgt 7,5 Würfelzucker pro Tag (maximal 30 Gramm), also zehn Prozent der Gesamtenergie, die diese Kinder zu sich nehmen dürfen.
10. Die einen verteufeln sie, die anderen verherrlichen sie: die Kuhmilch. Wer hat recht?
«Milch- und Milchprodukte haben einen wichtigen Platz in einer ausgewogenen gesunden Mischkost», sagt George Marx, Kinder-Gastroenterologe und Mitautor von «Kinderernährung». Dennoch soll auch hier auf die Menge geachtet werden. Ein zu hoher Milchkonsum
kann beispielsweise vorab bei Kleinkindern zu einem
Eisenmangel führen. Eine Menge von drei bis fünf Deziliter Bio-Kuhmilch ist beim Kleinkind gesundheitlich unbedenklich.Kuhmilchprodukte wie Joghurt oder Hartkäse sind laut Experten gesundheitlich unbedenklicher als Vollmilch, da diese behandelt werden muss, um sie haltbar zu machen.
11. Glutenfreies Essen gilt als gesund. Gilt dies auch bei Kindern?
Viele Fachleute sind skeptisch: «Ein Kind glutenfrei ernähren soll man nur, wenn es einen klaren medizinischen Grund dafür gibt, wie zum Beispiel eine Zöliakie oder eine andere Glutenerkrankung», sagt Magendarmarzt George Marx. Ansonsten bringe eine glutenfreie Ernährung keinen Vorteil und könne zu Mangelerscheinungen führen. Dies gilt übrigens auch für Erwachsene.
12. Soll ich mein Kind zwingen, neue Lebensmittel zu probieren?
Ein Kind zum Essen zu zwingen, bringt gar nichts. Darin sind sich die Fachleute einig. Durch Essregeln und kreative Tellerpräsentationen sowie Zeit und Geduld kommt man viel weiter als mit Druck. Auf diese Art können neue Lebensmittel viel einfacher eingeführt werden. In der Regel mögen Kinder, was sie mindestens
zehn- bis fünfzehnmal probiert haben. «Eine ursprüngliche Ablehnung kann durch mehrmaliges Kosten sogar unerwartet in eine Vorliebe umschlagen», weiss Spezialist Marx aus Erfahrung.
➺ Buchhinweis: George Marx, Andrea Mathis:
«Kinderernährung. Expertenwissen für den Alltag»,
Karger-Verlag, 2020.
Gesundheit, Medizin und die Menschen dahinter haben Stefan Müller schon immer fasziniert. So kam es, dass er seine Geschichten in den vielen Jahren als freier Journalist gerne in diesem Umfeld ansiedelt. Seine Familie mit zwei schulpflichtigen Kindern inspiriert ihn dabei stets von Neuem.