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Mental Load
Mental Load: Was ein Vater dazu sagt
Mental Load heisst: Frauen fühlen sich überlastet, weil sie sich um alles kümmern, an alles denken müssen. Ein Elternpaar findet einen Ausweg.
Im Familienleben muss stets organisiert werden und es gilt endlos lange To-do-Listen abzuhaken. Zoff ist programmiert, denn die Hauptverantwortung für diese Belastung - die derzeit unter dem Begriff Mental Load Beachtung findet - übernehmen noch immer die Mütter. Weshalb eigentlich? Das Elternpaar Rikli-Hunziker hat sich Gedanken dazu gemacht. In diesem Artikel lesen Sie die Überlegungen von Reto Hunziker zum Thema. Die Replik seiner Frau ist untenstehend verlinkt.
Hier folgt zunächst das «Er sagt»:
Ich dachte ja damals noch, es sei ein Witz, als mir meine schwangere Frau sagte, wir sollten einen Krippenplatz für unser Kind reservieren. Kita fürs Ungeborene? Das kann doch sicher warten, bis das Kleine auf der Welt ist! Ich hatte keine Ahnung. Und ja, vielleicht wollte ich auch keine haben.
Krankenkasse, Geburtstagsgeschenke, Impfungen und so weiter – daran dachte seitdem meine Frau. Ich hingegen sah erst, dass meine Tochter neue Schuhe braucht, wenn sich ihre grossen Zehen durch die Schuhspitzen gebohrt hatten. Insofern: Nein, ich kann nicht behaupten, ich hätte mich mental belastet gefühlt.
Irgendwas beschäftigte mich immer, aber nicht unbedingt Haushalt, Schule und Ferienpläne. Ich hatte dafür eine gute Ausrede: Meine Frau hatte schon einen Sohn, als wir uns kennenlernten, darum weiss sie besser Bescheid. Und es wäre unlogisch, würde ich diese Dinge übernehmen, weil ich mich erst in alles eindenken müsste. Aber eben: Es war nur eine Ausrede.
Über ihren Mental Load musste sie mich regelrecht aufklären, mit ganzen Ordnern an Papierkram rund um Hort, IV und Kinderarzt. Dass das so viel ist, hätte ich nicht gedacht. Wie konnte ich das vorher übersehen? Wollte ich es schlicht nicht wahrhaben?
Vermutlich ist daran nicht nur meine Faulheit schuld, sondern auch die traditionelle Rollenverteilung (und damit das Patriarchat): Frauen waren stets für die Kinder zuständig, Buben bekamen darum meist von den Müttern gesagt, was sie zu tun hatten und Hausarbeit war Frauenarbeit. Heute sind diese Buben erwachsen (ich zum Beispiel) und müssten sich alle Informationen selbst beschaffen. Da ist es natürlich bequemer, eine Partnerin zu haben, die für die Kinder schaut und gleich an alles Nötige denkt. Und schon haben wir den schönsten Teufelskreis.




Nun befinden wir uns aber nicht mehr am Anfang des Holozän, sondern haben uns zu einer modernen Gesellschaft entwickelt, die nicht mehr auf diese Rollenverteilung angewiesen ist (auch wenn sie sich in vielen Fällen leider immer noch lohnt). Sobald das Kind die Brust nicht mehr braucht, können Väter genauso wichtig sein wie Mütter. Wie ist zu erklären, dass selbst dann vor allem die Frau unter dem Mental Load leidet?
Ich denke (und behaupte), wir Männer können besser mit dem Umstand umgehen, für einmal nicht alles perfekt zu machen. Ich bin zum Beispiel ein geborener Prokrastinierer; Lästiges kann ich so lange aufschieben, bis es dringend ist und schlicht gemacht werden muss. Andererseits beherrsche ich das Priorisieren: Je mehr Baustellen es gibt, desto besser fokussiere ich mich auf das Wesentliche. Die Wäsche hängt trocken am Ständer mitten im Wohnzimmer, die Ecken sind voller Staubmäuse, Altpapier müsste gebündelt werden? Das kann warten, manchmal ist eine Pause wichtiger. Man könnte auch sagen: Wir Männer sind die besseren Egoisten.
Ich habe den Eindruck, Frauen bürden sich sehr viel auf – vielleicht weil sie nach Jahrhunderten der Unterdrückung das Gefühl haben, sie müssten beweisen, gleichwertig zu sein. Jedenfalls halsen sie sich oft mehr auf, als sie bewältigen können. Das machen Männer meistens nur im Job. «Du willst zu viel» ist jedenfalls etwas, das meine Frau von mir oft zu hören bekommt.
Vielfach weiss aber auch die eine Hand nicht, was die andere leistet. Weil die Mütter viele Aufgaben übernehmen, die das Kind betreffen, bietet der weibliche Mental Load in Zeiten der Gleichberechtigung natürlich Gesprächsstoff. «Immer muss ich das Auto waschen» eignet sich da nicht derart gut als Mitleidsmasche. Fakt ist aber, dass das meiste rund um Auto, Abfall, Technik und Elektro fast immer von den Männern übernommen wird – ohne dass ein Hahn danach kräht.
Drei Dinge scheinen mir für eine gerechte Aufteilung zentral:
1.Kommunikation: Nur weil sie etwas wichtig findet, heisst das noch nicht, dass ich es auch wichtig finde. Darum muss sie mir sagen, dass sie es wichtig findet. Auch wenn sie sich dadurch vorkommt wie meine Mutter.
2.Delegieren: Einmal muss sie es vielleicht vorzeigen, wie sie es haben möchte, mich instruieren. Aber dann sollte sie die Verantwortung abgeben und darauf vertrauen, dass ich es so machen werde – und falls nicht, sich damit zufrieden geben, wie ich es mache. Wer eine Arbeit erledigt, muss sie auch so erledigen können, wie er möchte. Alles andere führt zu Konflikten.
3.Wertschätzung: Der Vergleich «wer macht mehr?» ist müssig– und giftig. Wer ständig abwägt, wie viel er/sie nun mehr übernommen hat und was der andere noch zu tun hat, um aufzuholen, ist unzufrieden. Darum braucht es einerseits eine klare und gerechte Aufgabenteilung, andererseits aber auch Wohlwollen dem anderen gegenüber – sofern sich dieser tatsächlich Mühe gibt, seinen Part zu übernehmen.
Gar nicht so einfach. Aber auch nicht unmöglich. Wir arbeiten als Paar jedenfalls weiter daran, den Mental Load auf zwei Köpfe zu verteilen. Damit er nicht zum Mental Overload wird.