steffi im glück
Mir gönd hüt in... äh, den Kinderspital!

Viviana Chiosi
Wir stehen vor dem Zoo Zürich und warten auf Freunde. Sie wissen schon, auf dieser langen Rampe, die mit der gluschtigen Mauer. «Chumm sofort da abe!», sage ich zum fünfzehnten Mal. Und bevor ich zum sechzehnten ausholen kann, stürzt Lily von der etwa 120 cm hohen Mauer. Und zwar seitlich auf den Kopf. Zum Glück fängt sie sofort an zu weinen – doch als ich sie hochhebe, prangt bereits ein riesiges, blaues Horn an ihrer Schläfe. Mia schafft es beim Anblick ihrer Schwester gerade noch, «mir isch schlächt» zu sagen, bevor sie aus dem Stehen mit dem Gesicht voran in Ohnmacht fällt. Einige Stunden später, nach zwei aufgeregten Taxifahrten und Besuch beim Kinderarzt, der Mias Schürfung an der Backe desinfiziert und Lilys Beule für «vorerst nicht extrem besorgniserregend» erklärt, beginnt Lily, sich zu übergeben: Verdacht auf Gehirnerschütterung! Es folgen lange Stunden im Wartezimmer des Kinderspitals Zürich, wo Lily aussergewöhnlich ruhig zwischen weitaus schwerer verletzten Kindern sitzt und schon fast elegant vor sich hin kötzelt. Schliesslich wird uns ein Bett in einem Viererzimmer organisiert: Lily soll zur Beobachtung über Nacht bleiben.
Meine wirklich tiefe Besorgnis um den Zustand von Lilys möglicherweise lädiertem Gehirn weicht im Verlauf dieser endlos langen, unbequemen Nacht einer dringlicheren Sorge. Nämlich: Wie lange halten es die anderen, kranken Mädchen mit der inzwischen wieder singenden, schwatzenden, herumzappelnden Lily aus? «Ich will für IMMER hier bleiben!», ruft sie, bestellt bei der Krankenschwester das fünfte Glas Sirup und fährt mit ihrem Spitalbett so lange rauf und runter, bis ich die Fernbedienung dafür unter der Matratze verstecken muss. «Gibt’s hier Chicken Nuggets? Darf ich mir noch ein Buch holen? Warum weint das Mädchen da drüben? Wird sie sterben?» Tags darauf, um elf Uhr morgens und mindestens hundert verzweifelte «Lily, PSSST!» später, werden wir entlassen, die Gefahr von schwerwiegenderen Folgen des Kopf-Aufpralls scheint gebannt. Vor dem Kinderspital springt Lily als Erstes auf eine niedrige Mauer und will darauf balancieren. Ich glaube, mein Schrei «VERGISS ES!» hallt jetzt noch auf dem Zürichberg nach. Lerneffekt? Nie mehr vor dem Zoo abmachen, sondern direkt bei den Pinguinen. Zwar … ob da ein Bademeister vor Ort ist?