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Happy Birthday
Pippi: Stark, frech, wunderbar
Von Redaktion
Mutig, unabhängig und voller Fantasie – Pippi Langstrumpf hat Generationen geprägt. Zum 80. Geburtstag der Kultfigur verraten Persönlichkeiten, was Pippi für sie bedeutet und was sie heute in der Schweiz bewirken könnte.
Sie trägt zwei verschiedenfarbige Strümpfe, wohnt mit einem Pferd auf der Veranda und kann ein ganzes Fass Limonade austrinken – Pippi Langstrumpf war schon immer ein bisschen anders. Doch genau das macht sie bis heute zur Ikone. Seit 80 Jahren begeistert Astrid Lindgrens berühmteste Heldin Kinder und Erwachsene mit ihrer unerschütterlichen Lebensfreude, ihrem Mut und ihrer grenzenlosen Fantasie. Aber welche Bedeutung hat Pippi heute? Welche ihrer Eigenschaften sind besonders inspirierend? Und wie würde sie sich in der modernen Schweiz behaupten? Wir haben prominente Stimmen dazu eingeholt – und ihre Antworten zeigen: Pippi lebt weiter, in uns allen.

Ramona Fattini
Schauspielerin & Leiterin Zürcher Märchenbühne
Als grosser Pippi-Fan war es für mich eine Ehre, in diese Rolle zu schlüpfen. Ich habe als Mädchen viel Pippi geschaut. Sie hat mir immer Mut gemacht und mich inspiriert. Pippi glaubt immer an das Gute und geht unbekümmert durchs Leben. Sie macht sich keine Sorgen, bleibt immer positiv und findet für alles eine Lösung.
Ich glaube, sie würde versuchen, die Welt zu retten. Sie würde über die Landesgrenze hinaus versuchen, alle zur Vernunft zu bringen und für den Frieden kämpfen.

Reeto von Gunten
Autor & Spoken-Word-Künstler
Meine Kinder sind mit Pippi Langstrumpf und allen Lindgren-Figuren aufgewachsen, sie waren sozusagen Teil der Familie und der Tischgespräche. Wie die Kinder ernst genommen werden in ihrer Grossartigkeit, das hat mich immer berührt und mein eigenes Tun stark beeinflusst.
Pippis Unerschrockenheit, ihre Neugier und ihre grosse Menschenliebe sind enorm inspirierend, sowohl für mich als Vater als auch für meine Kinder. «Das habe ich vorher noch nie versucht. Also geht es sicher gut.» «Und dann muss man auch einfach Zeit haben, um dazusitzen und vor sich hinzuschauen.» Wer danach lebt, dem geht es gut.
Pippi würde wohl immer noch auf «Niemals Gewalt» aufmerksam machen und allen raten, einen Stein auf dem Küchentisch zu haben. Sie würde aber auch mit Wischmop an den Füssen durch die Küche tanzen – bei aller Schwere braucht es auch die Leichtigkeit. Damit die Energie für den Einsatz fürs Gute bleibt.

Andrew Bond
Kinderliedermacher & Musicalproduzent
In meiner Kindheit in Afrika und England ist mir Pippi nie begegnet, und als Teenie nahm ich am Rand wahr, dass es sie gibt. Meine Frau las unseren Kindern die deutschen Bücher vor und ich die englischen. So war ich auch hier nur Zaungast bei Pippi. Wenn man gewisse Kultbücher erst als Erwachsener kennenlernt, fragt man sich, woher eigentlich diese Begeisterung kommt. Ich vermeide es jetzt, Namen zu nennen und in Fettnäpfchen zu treten. Aber bei Pippi und ganz allgemein bei den Büchern und Figuren von Astrid Lindgren verstehe ich total, weshalb sie Kult und nach wie vor so ungemein beliebt und wertvoll sind.
Weil sie ohne Eltern völlig autonom leben kann – und wie!
Weil sie mit roten Haaren und Sommersprossen und ihrer eigenwilligen Art das Zeugs zur Aussenseiterin hat, ja eine Aussenseiterin ist, uns aber gerade deshalb so fasziniert und wir auch so sein wollen wie sie. Das schaffen nur ganz wenige Aussenseiter:innen.
Aber vor allem ihre schnörkellose, anpackende Problemlösungskraft finde ich grandios. Pippi würde verschiedene Entscheidungsträger und sogenannte wichtige Leute zusammentrommeln, ihnen die Handys und Laptops wegnehmen, sie ins Misox entführen, dort wochenlang mit ihnen die Sturmschäden reparieren, selber kochen, von Hand Kleider waschen, abends am Lagerfeuer mit ihnen singen und Geschichten austauschen und sie dann um viele lebensverändernde Erfahrungen reicher nach Hause senden mit der Aufgabe: «So, und jetzt packt ihr die Probleme unserer Zeit auch so an! Hopp!»

Meta Hiltebrand
Starköchin & Gastrounternehmerin
Ich liebe Pippi! Sie hat mich schon als Kind inspiriert, mutig und frei zu sein. Und wir haben einiges gemeinsam. Nicht nur die Haare, ich mag den kunterbunten Kleiderstil und auch, dass, ihr Pferd, der kleine Onkel, im Haus steht.
Ihre Art hat meine Generation geprägt und freier gemacht. Vor fünf Jahren habe ich mir sogar ein Kostüm gekauft und so meine Kochfotos gemacht. Weil ich Pippi inspirierend finde und es zu mir passt.
Pippi wäre bestimmt in der Politik und würde für Diversität einstehen. Ihr geht es ums Wesen und nicht den Status. So denke ich, wäre sie immer offen für alles und würde sich für das Wohl der Menschen einsetzen. Unnötige Bauprojekte boykottieren und für Gerechtigkeit sorgen.

Kathrin Schärer
Illustratorin
Heute wie damals als Kind bedeutet Pippi für mich Eigenständigkeit, Mut, Stärke und unkonventionelle Ideen, die sie nicht nur fantasiert, sondern auch vergnügt auslebt, aber ganz wichtig: nie auf Kosten von Schwächeren.
Pippi ist und bleibt Vorbild: Sich selbst und den eigenen Ideen treu bleiben, sich nicht verbiegen, auch mal «Nein» sagen und sich unerschrocken dem Erwartungsdruck und Mainstream entgegenstellen – für mich ein lebenslanges Lernen.

Martin Candinas
Nationalrat GR
Pippi Langstrumpf hat mich als Kind immer wieder fasziniert – mit ihrer Stärke, ihrem Witz und ihrem unbändigen Freiheitsdrang. Sie hat mir gezeigt, wie wichtig Mut ist und dass man die Welt auch mal auf den Kopf stellen darf. Zum 80. Geburtstag von Pippi sage ich: Danke für all die Abenteuer und die unendliche Fantasie, die du in mein Leben gebracht hast!

Lorenz Pauli
Schriftsteller & Erzähler
Astrid Lindgren hat mit vielen ihrer Figuren Partei ergriffen für Kinder. Ihre Bücher sind keine Werkzeuge zur Erziehung des Nachwuchses. Pippi, Karlsson, Ronja, Michel, auch die Brüder Löwenherz: Sie werden zu Freunden der Familie, die etwas verkörpern, was in uns allen schlummert. Wenn wir die Geschichte lesen oder erzählt bekommen, ist es, als würden wir selbst dieses fantastische Leben leben. Als Kind fühlte ich das. Heute versuche ich, mit dieser Pippilosophie zu schreiben.
Pippi stellt die Lust an der Freude über die Moral und über den Sinn. Wichtig ist mir, was Lindgren uns Alten liebevoll beibringt: Dass das kindliche Denken einfach richtig ist (und nicht kanalisiert, verbessert, vorwärtsgetrieben werden muss).
Vielleicht würde sie von Tür zu Tür gehen und uns allen sagen, dass wir eigentlich sehr viel zu lachen hätten; und dass geteiltes Lachen herzlicheres Lachen ist.

Stefanie Stahl
Psychologin & Psychotherapeutin
Ich habe Pippi geliebt! Sie verkörpert die unangepasste, autonome Rebellin – mutig, frei und unkonventionell. Dem gegenüber stehen ihre Freunde Annika und Thomas, die die braven, angepassten Kinder repräsentieren, sich aber gleichzeitig von Pippis Abenteuerlust mitreissen lassen. Ich konnte mich als Kind in beiden Polen wiederfinden: in der Sehnsucht nach Freiheit und Wildheit, aber auch in der Sicherheit der Anpassung. Und bis heute kann ich sowohl angepasst als auch rebellisch sein – je nachdem, was die Situation erfordert.
Am meisten beeindruckt hat mich Pippis radikale Unabhängigkeit – diese unglaubliche Fähigkeit, ganz allein zu leben, ohne sich von gesellschaftlichen Erwartungen einschränken zu lassen. Sie entscheidet selbst, was richtig für sie ist, und bleibt sich dabei immer treu. Das ist eine Qualität, die vielen von uns – damals wie heute – Mut macht.
Pippi wäre vermutlich eine furchtlose Aktivistin – jemand, der mit unerschütterlichem Optimismus und einer gesunden Portion Respektlosigkeit gegen starre Regeln und Ungerechtigkeiten ankämpft. Sie würde sich für Kinderrechte, soziale Gerechtigkeit oder den Umweltschutz einsetzen, aber ohne erhobenen Zeigefinger – eher mit einem Augenzwinkern und ihrer unkonventionellen Herangehensweise. Wahrscheinlich hätte sie einen YouTube-Kanal voller verrückter Ideen, in dem sie zeigt, dass man auch ohne Konventionen stark und glücklich sein kann. Vielleicht würde sie Schulen hinterfragen, in denen Kreativität und Individualität zu kurz kommen, oder mit ihrem Pferd und Herrn Nilsson durch die Städte ziehen, um Erwachsenen zu zeigen, dass man das Leben auch spielerisch nehmen kann. Eins ist sicher: Sie würde sich nicht anpassen – und genau das würde die Welt ein Stück bunter und freier machen.

Patti Basler
Autorin & Kabarettistin
Patti: Corinne ist so jung, dass nicht sie, sondern ihre Grossmutter von Pippi geprägt wurde. Hätte man Corinne danach gefragt, sie wäre lachend von ihrem Lesebaum runtergesprungen, auf dem sie wie Herr Nilsson auf Koks herumkletterte. Ach, hätte sie gesagt, ich lasse mich doch nicht von einer erfundenen Figur beeinflussen! Und hätte den Comic mit ihrem grossen Vorbild Daniel Düsentrieb zur Seite gelegt. Heute ist sie ohne Pipifax eine erwachsene Pippi-Version: Frech und vorlaut malt sie sich die Welt widewidewie sie ihr gefällt! Sie hat ihre eigene Villa kunterbunt geplant und gebaut. Mit ihren Speedpainting-Gemälden treibt sie dem Publikum regelmässig Pipi in die Augen.
Pippi, Welcome to the 80s!
Corinne Sutter
Künstlerin & Speedpainterin
Corinne: Patti hatte in den 80ern weder Vorbilder noch Bilder an den Wänden. Sie kannte mich halt noch nicht. Mich würde sie heute noch gelegentlich gerne aufhängen. Ihre Schwester schwärmte von der roten Zora, Patti war im Team Pippi: wild, selbstbestimmt, jenseits von Konventionen, wahnsinnig stark. Alles, was Patti gerne selbst gewesen wäre. Pippi, die Beschützerin der Kinder, siegte in jedem Ringkampf, war stärker als alle Jungs und als der polizeiliche Staatsapparat. Heute nimmt es Patti nicht nur mit Polizisten, sondern gar mit Bundesrätinnen auf, stemmt nicht nur ein Pferd, sondern hat ein Mundwerk mit mehr als 100 PS. Sie bedient sich nicht aus einem Goldschatz, sondern aus einem unermesslichen Wortschatz, und lange Strümpfe trägt sie ohnehin. Nur einen Herrn Nilsson braucht sie nicht, Patti macht sich lieber selbst zum Affen.

Moritz Daum
Professor für Entwicklungspsychologie Universität Zürich
Pippi Langstrumpf ist für mich bis heute eine grosse Inspiration. Vor allem der Satz: «Das haben wir noch nie gemacht, also wird es sicher gut!» spricht mir aus dem Herzen. Pippi steht wie kaum jemand anderes für Mut und Abenteuerlust und hat dabei einen unbändigen Optimismus. Sie bleibt aber trotz ihrer Wildheit und Unkonventionalität immer herzlich und hilfsbereit.