
Vaterlandkolumne
Wie ein 3-Jähriger mit seiner Oma Almosen verteilt
Von Ramon von Roon
Eine Grossmutter darf auch ein bisschen verrückt sein, findet unser Kolumnist Ramon von Roon. Sein Sohn Luc jedenfalls liebt es, mit Oma im «Buddha-Mobil» rumzukurven.
Fahren eine Grossmutter, ein buddhistischer Mönch, ein marokkanischer Berber und ein Kleinkind im Feuerwehrauto durchs vorweihnachtlich geschmückte Berlin – nein, das ist nicht der Anfang eines schlechten Witzes, sondern die kunterbunte Fahrgemeinschaft meiner Mutter. Beziehunsgweise der Grossmutter meines Sohnes. Aber alles der Reihe nach.
Die Rechnung ist eigentlich ganz einfach. Wir sind junge Eltern, also sind unsere Eltern recht junge Omas und Opas. Sie sind berufstätig, aktiv, stehen mitten im Leben. Meine Mutter arbeitet als Sekretärin in Teilzeit, und ganz nebenbei organisiert sie zusammen mit ihrem marokkanischen Lebenspartner Brahim Wüsten-Trekkings durch die Sahara. Ganz wichtig im Leben der Oma: Sie ist praktizierende Buddhistin und engagiert sich regelmässig in einem Kloster.
Jedes Wochenende darf unser Sohn Luc, so er denn will, bei seiner Oma übernachten. Die Idee dahinter liegt auf der Hand: Meine Mutter bekommt etwas Zeit mit ihrem Enkel, Luc mit seiner Oma und wir Eltern einen Abend zu zweit. Während sich Mama und Papa am Sonntag wahlweise mit Frühstück im Bett verwöhnen oder die Kopfschmerzen des (weinreichen) freien Abends vertreiben, steht Oma mit Luc schon früh in den Startlöchern für den sonntäglichen Ausflug. Der erste Stopp ist das Kloster – das heisst in Berlin: ein modern eingerichtetes Refugium in einem Kreuzberger Hinterhof. Hier meditieren die beiden. Moment mal! Meditation? Ist das nicht das, wo man stundenlang still sitzen muss und nicht sprechen darf? Ganz genau! Und ich glaube meiner Mutter kein Wort, wenn sie erzählt, wie mein 3-jähriger Piratenkapitän da anstandslos mitmacht. Aber von mir aus, gerne! So ein bisschen zur Ruhe kommen, in sich hinein horchen – kann einem Dreijährigen sicher nicht schaden! Schon gar nicht in der hektischen Weihnachtszeit.
Danach geht es mit dem leitenden Mönch auf «Pindapata». Eine Almosentour, bei der die Mönche in der buddhistischen Gemeinde Lebensmittelspenden einsammeln, von denen sie ausschliesslich leben. Das machen sie natürlich nicht zu Fuss.
Jetzt kommt das knallrote «Buddha- Mobil» zum Einsatz (ein ausrangiertes Feuerwehrauto mit orangefarbener Sirene). Der Alarm funktioniert zwar nicht mehr, aber das macht nichts. Der kleine Feuerwehrmann Luc ruft aus seinem Kindersitz aus vollem Hals: «Tatüü! Tataa! Die Feuerwehr ist da!». Nach der Meditation muss halt ein bisschen Luft raus. Weil der ehrwürdige Mönch keinen Führerschein hat, und die Regeln besagen, dass er sich nicht von einer Frau fahren lassen darf, wird kurzerhand Brahim, der muslimische Berber, zum Chauffeur ernannt.
In jedem Raum, den diese Weisen aus verschiedenen Morgenländern betreten, bietet sich dasselbe Bild. Die Mönche sitzen auf dem Boden, singen buddhistische «Chantings» und halten die Opferschalen bereit. Luc singt gerne. Auch wenn in der Kita zurzeit eher Weihnachtslieder angesagt sind – die Chantings passen ihm. Nachdem die Opfergaben in Form von vakuumverpackten Reisgerichten von Luc und Brahim in grosse Ikea-Tüten verladen und im Kofferraum verstaut sind, macht sich die kleine Truppe auf den Heimweg.
Wenn ich Luc nächsten Sonntag von der Oma abhole, gibt es eine grosse Verabschiedung, denn über den Jahreswechsel fahren Oma und Brahim in die Wüste. Weihnachten feiern die beiden nämlich nicht. Das Feuerwehrauto dürfen wir uns dann ausleihen, um Luc damit ein letztes Mal vor den Weihnachtsferien zur Kita zu fahren. Auf die Show bei seinen Kita-Kumpels freut sich Luc jetzt schon.
Wir begehen die Vorweihnachtszeit rundum traditionell: Mit Keksebacken, Adventskranz, Kerzen, «Samichlausversli» und «Grittibänzen ». Weihnachten feiern wir dann in der Schweiz, mit Lucs anderer Oma. Mit Weihnachtsbaum und allem, was dazu gehört. Auch die Krippe wird nicht fehlen. Letztes Jahr zeigte Luc ganz aufgeregt auf das Jesuskind und rief: «Guck mal Papa, ein Buddha!»
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