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Das Grauen aus der Tiefkühltruhe

Ümit Yoker (Illustration von Julia Donaldson in "Flunkerfisch")
Wie sich der Nachwuchs verhalten soll, messen wir gerne an einem Ideal, dem wir selbst alles andere als nahe kommen. Oder: Passen die folgenden Aussagen zu a) mir oder zu b) meinen Söhnen? Ein kleines Quiz.
1) Wenn mir jemand die Haare wäscht, find ich das Scheisse.
2) Wenn mir jemand die Haare wäscht, find ich das super.
3) Ich muss mich vor dem Kühlschrank zu Boden werfen, wenn mir ein fünftes Babybel verweigert wird. Manchmal trete ich dann auch nach Plastikflaschen.
4) Verlasse ich das Haus, muss mein rotes Spielzeugauto zwingend mit. Auch wenn ich nie, aber wirklich nie unterwegs damit spiele.
5) Verlasse ich das Haus, muss mein Abdeckpuder zwingend mit. Auch wenn ich nie, aber wirklich nie unterwegs mein Gesicht nachpudere.
6) Der gefrorene Tintenfisch in unserer Tiefkühltruhe bereitet mir Unbehagen. Manchmal stelle ich mir vor, wie er in der Nacht aus der Küche in mein Schlafzimmer schleicht und sich an meinem Gesicht festsaugt.
7) An schlechten Tagen kann mich die Angestellte der Fastfoodkette im Shoppingcenter, die mich schon seit einer Viertelstunde ignoriert, problemlos zum Heulen bringen.
8) Sind die Cipollata in zu kleine Rädli geschnitten, ist der Abend gelaufen.
9) Schokolade geht immer.
10) Fernsehen auch.
Ümit Yoker (Jahrgang 77) hätte nie gedacht, dass sie je einen grösseren Umzug wagt als einst den vom zugerischen Baar nach Zürich. Doch die Tochter eines Türken und einer Schweizerin sollte die grosse Liebe in Form eines Portugiesen finden, und nach ein paar gemeinsamen Jahren in der Schweiz und der Geburt von zwei Söhnen zieht die Familie 2014 nach Lissabon. Hier hat sich die Journalistin bisher noch keinen Augenblick fremd gefühlt. In ihrem Blog erzählt sie von Neuanfang und Alltag in der Ferne.