
«wir eltern»
Mamaversum
Die Stadt eine Todesfalle
Unsere Kolumnistin Maja Zivadinovic ist es leid, dauernd gefragt zu werden, wann sie endlich raus aufs Land zieht.
Ich bin nicht nur hässig. Ich verliere auch langsam die Geduld. Der Grund: Mein Partner, unser Sohn und ich suchen eine neue Wohnung in der Stadt Zürich. Das, obwohl unsere grandios ist. 4,5 Zimmer auf 125 Quadratmetern. Zwei Badezimmer. Ein Reduit. XL-Loggia. Steamer. Schischi. Alles da. Als wir vor fünf Jahren einzogen, war die Miete rund 500 Franken niedriger. Auch mussten wir damals noch keine Kita zahlen.
Nun, die Zeiten ändern sich. Und das ist gut so. Veränderungen aber fordern Tribute. Eines davon ist, dass wir uns verkleinern wollen. Weniger Miete, dafür einmal mehr Ferien oder so. Wir wollen den Umzug gerne vor dem Kindergarteneintritt nächsten August eingetütet haben. Das klingt nach viel Zeit. Aber es ist Zürich. Und hier herrscht gerade massive Wohnungsnot. Wir könnten jetzt natürlich unseren Horizont erweitern und aus Zürich wegziehen. Man ist ja von ganz vielen Ortschaften innerhalb von nur 30 Minuten mit dem Zug am Hauptbahnhof Zürich. Ein Argument, das mir zurzeit unaufgefordert ständig um die Ohren fliegt. Dafür, dass wir unser Kind in der Stadt grossziehen wollen, ernten wir nämlich enorm viel Verständnislosigkeit. Selbst enge Freunde und Familie sind der Meinung, dass «Kinder aber sicher nicht in die Stadt gehören». Viel zu gefährlich. All die Abgase. Die Drogen. Das Elend. Der Verkehr. Die Kriminalität. Kein Grün. Kein Wald. Nur Anonymität, keine Nachbarschaft, keine Turnvereine, keine Strick-Clubs.
Natürlich haben wir für jedes Argument tausend Gegenargumente. Unsere Lieblinge: In der Stadt bist du maximal fünf Gehminuten vom nächsten Spielplatz entfernt. Du hast ein riesiges Kulturangebot. Jeder Kreis hat sein eigenes Gemeinschaftszentrum. Kindermalen, Werkstatt, Tiere füttern oder zusammen singen und musizieren inklusive. Diversität findet bei uns vor der Haustüre statt. In den Kitas spielt mein Sohn mit Kindern aus Regenbogenfamilien völlig selbstverständlich Mami und Mami oder Papi und Papi. Das mit dem Verkehr und der Kriminalität und oh, mein Gott, die Drogen, das kann ich ja verstehen. Aber man kann mit Kindern wunderbar in der Stadt wohnen und kaum Berührungspunkte mit dem «ach so gefährlichen Elend und den Abgasen» haben.
Ein weiteres Plus: Nicht nur der Spielplatz, auch das nächste Kafi ist maximal fünf Minuten entfernt. Ausserdem kommen wir autolos überallhin. Von wegen Abgase und so, liebe Leute.
Über Umwege, die sie als Reiseleiterin in die Türkei und an den Empfang von «Tele Züri» führten, landete Maja Zivadinovic im Journalismus. Zusammen mit Yvonne Eisenring und Gülsha Adilji machte sie seit 2021 den Podcast Zivadiliring. Ihr Lieblingsjob ist aber ein anderer: Seit Juni 2020 ist sie Mami eines Buben.