Papa mit Ausrufezeichen oder Abwesenheits-Papa? Am Wochenende auf dem Spielplatz gilt es, die Entscheidung zu treffen. Oder einen dritten Weg zu wählen.
Jedes Wochenende bricht eine Invasion über die Parkanlagen unserer Städte ein. Heerscharen übermotivierter Väter mit ihren Kindern im Schlepptau und Unmengen an Gerätschaften. Getrieben vom schlechten Gewissen, das sich während ihrer Abwesenheit die ganze Arbeitswoche über aufgestaut hat, wollen sie jetzt nur noch eins: kompensieren. Und das braucht Platz.
Sandkästen werden besetzt, Fussballtore markiert, Spielfelder abgesteckt und Schatzsuchen ausgelegt; wenns sein muss mit Ellbogengewalt. Dass diese Väter ihre Kinder zu Statisten der eigenen Show degradieren, fällt ihnen nicht auf. Sie sind jetzt Papa mit Ausrufezeichen und gänzlich eins mit ihrem Wochenend-Projekt Quality Time. Sie bauen mannshohe Sandburgen mit knietiefen Schlossgraben und ausufernden Ländereien. Papa ist Bob der Baumann, Jack Sparrow und Lionell Messi in Personalunion und zu keinen Kompromissen bereit.
Ihre Kinder haben sich derweil längst zum selbstständigen Spielen untereinander gefunden.
Mitten in diesem Kompensationsstress sitzt einer, der das genaue Gegenteil manifestiert. Gemütlich auf einer Parkbank, die er mit allerlei Non-Papa-Utensilien für sich in Beschlag genommen hat. Nicht als Feldherr mit Territorialanspruch, sondern einfach so, weil er wohl schon da war, als die anderen noch beim Zmittag sassen. Er ist nicht mit seiner Rolle als Papa beschäftigt, sondern mit seinem iPhone. Er liest Zeitung, trinkt Kaffee, raucht. Er scheint auch nicht wegen seiner Kinder hier zu sein, zu sehr ist er auf sich konzentriert. Einen Moment lang frage ich mich, ob er ein Single mit besonders cleverer Aufrissmasche ist, aber dann stelle ich fest, dass er sich auch für die anwesenden paar Frauen kaum zu interessieren scheint. Er ist einfach hier, mit Zeitung, Buch und Natel. Schaut ab und zu gelangweilt nach der Zeit oder Richtung Sandkasten, bloss um gleich wieder weiterzulesen. Erst später fällt mir auf, dass er sehr wohl mit seinem Kind da ist, einem Mädchen, das alleine im Sandkasten spielt.
Ich beobachte die Kinder, die alle unter sich spielen, die Über-Papas, die alleine spielen, und den Abwesenheits-Papa, der darauf wartet, dass der Nachmittag vorbei geht. Bis eines der Kinder anfängt zu heulen. Sein Vater taucht auf, macht den Notfallarzt – und allen anderen im Park unausgesprochene Vorwürfe.
Ich möchte kein solcher Vater sein. Weder einer der selbstvergessen Spielenden noch einer, der solange im Park darbt, bis er endlich wieder ins Büro darf. Was mich selbstverständlich nicht weniger zum Outsider macht: Ich bin der in seine Gedanken versunkene Papa, der im Park andere Väter beobachtet und versucht, eigene, andere Wege zu finden.
Meine Kinder haben solange zusammen mit den anderen Kindern Fussball gespielt. Unter sich und sehr zufrieden.
Reeto von Gunten
http://www.reetovongunten.com
Reeto von Gunten ist Vater eines Buben und eines Mädchens.
Er arbeitet als Autor
und Texter und ist jeden Sonntagmorgen
auf DRS 3 zu hören.