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Papacode
Modische Ratschläge
Von Reto Vogt
Unser Kolumnist Reto ist stolz auf seine beiden Kids, der eine ein Turner, der andere ein Fussballer. Von ihm haben sie das Sportliche jedenfalls nicht, sagt er. Was er ihnen jedoch weitervererbt hat, ist sein unglückliches Händchen für Mode.
Schnusig. Das ist das einzige Wort, das mir einfällt, wenn ich mein Klassenfoto aus dem Jahr 1995 anschaue. Schnusig, versteht man das ausserhalb des Kantons Bern überhaupt? Es bedeutet herzig beziehungsweise süss – für die Leserinnen und Leser aus dem grossem Kanton. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob ich damals schnusig sein wollte – oder gar ein Schnüsu, wie man in Bern schnusigen Giele sagt. Wahrscheinlich nicht. Aber als ich an diesem trüben Tag anno domini meine Trainerhosen mit dem zugehörigen Pullover anzog, wussten anscheinend weder meine Eltern noch ich, dass wir Besuch von der Klassenfotografin oder dem Klassenfotografen erhalten würden. Und so klebt seitdem ein Foto von mir mit drei Bärchen auf dem Pulli und dem Slogan «Winner Team» in den Alben meiner damaligen Gspändli. Wäre dieser Termin einem Familienmitglied bewusst gewesen, ich hätte mich wahrscheinlich für ein anderes Outfit entschieden (rückblickend auch für eine andere Brille), obwohl ich mich angesichts dieses Zeitdokuments eigentlich schon als Initiant der heute weitverbreiteten Trainingsanzüge auf Schulhöfen sehe, was cool ist. Aber zugegeben, die heutigen Modelle sind schon etwas cooler (sagen Junge überhaupt noch «cool»?) als meines damals.
Gestern und heute
Wie auch immer. Auffällig an meinem Klassenfoto-Outfit sind übrigens nicht nur die drei putzigen Tiere auf dem mausgrauen Pullover, sondern auch die Aufschrift «Winner Team». Denn leider zählte ich, mindestens in sportlicher Hinsicht, definitiv nicht zu den Gewinnern. Als Bewegungslegastheniker der ersten Stunde landete ich beim jährlichen Sporttag verlässlich auf einem der letzten Plätze. Meine eigenen Zehnjährigen sind zum Glück deutlich sportlicher als ihr alter Herr. Einer spielt Fussball wie ein junger Matthäus (mindestens) und der andere wird beim Geräteturnen regelmässig Zweiterster (im ganzen Kanton Zürich!) statt Zweitletzter wie ich (im Schulhaus). Eines Reto Vogt mit 10 Jahren, als er noch nicht wusste, dass er einmal Technologie- und Digitaljournalist und Studienleiter Digitale Medien und KI am MAZ in Luzern sein und mit seiner Frau und seinen Zwillingssöhnen, 10, in Winterthur leben würde. Eines habe ich ihnen aber wohl weitervererbt: mein unglückliches Händchen beim Thema Mode. Und so leuchtet einer der beiden (der Turner) im Stile eines gelben Stabilo-Markers vom diesjährigen Klassenfoto. Es wird euch nicht erstaunen, aber es war anlässlich des Besuchs der Klassenfotografin, dass ich mein eigenes Album wieder hervorkramte und das Bild meinen Jungs zeigte. Sie identifizierten mich nicht im ersten, nicht im zweiten, nicht im dritten und auch nicht im vierten Anlauf. Als ich dann mit dem Finger auf mich zeigte, lachten sie: «Ernsthaft, Papi?» Tja, ernsthaft. Wohl dem, der am Morgen des Fototermins die Kleider weise wählt, gab ich ihnen auf den Weg. Ein väterlicher Ratschlag, den sie – natürlich – ignorieren werden.
