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Mamaversum
«Liebes altes Leben»
Unsere Kolumnistin Maja blickt auf ihr altes Leben zurück. Und hat gemischte Gefühle. Online-Dating vermisst sie nicht, ihre eigene Wohnung und die Sonntage im Bett hingegen schon.
Liebes altes Leben, 40 Jahre gingen wir zusammen durch ganz tolle und ganz schlechte Zeiten. Wir meisterten Trennungen, zelebrierten erste Küsse, Online-Dating, Ausland-Jobs, verschiedene Wohnformen und gingen lustigen Jobs nach. Weisst du noch damals als Reiseleiterin in der Türkei? Wenig zu tun und viel Spass on the Beach? Oder meine erste eigene Wohnung? Läck, was ich Schiss hatte zu vereinsamen und wie sehr ich nicht vereinsamt bin. Wobei, Moment, man setzt ja gerne mal die pinke Brille auf. Da waren schon Sonntage, an denen es zwar lässig war, ewig im Bett zu liegen und Serien zu bingen. Aber so nach zwei, drei Stunden wars doof. Das Herz irgendwie nicht berührt. Die Seele gelangweilt. Der Tag noch lang, die Einsamkeit gross. Da habe ich mir gewünscht, ich hätte einen Mann. Und viele Kinder. Ein grosses Haus mit Garten und viel Leben drin. Ich war mir sicher, dass wir draussen Kuchen essen und Drachen steigen lassen würden. Alles wäre perfekt.
Mit dir, liebes altes Leben, war aber bei Weitem nicht jeder Sonntag trist. Die Sommerwochenenden waren fabelhaft. Genauso wie der Fakt, dass ich jederzeit überall hinreisen konnte. Im Dezember New York, im März Vietnam, im Juli Berlin.
Du und ich war schön
Ich war überall und überall war Leichtigkeit. Ich war mit Freundinnen wellnessen, mit meiner Schwester reisen, mit Mister-Right-Nows an irgendwelchen Stränden und in Chalets, und ich war alleine in Städten, die ich auf eigene Faust genau so erkunden konnte, wie ich es wünschte.
Du und ich, liebe Vergangenheit, wir waren echt ein gutes Team. Zumindest bis ich auf die 40 zuraste. Ich wohnte im Zürcher Rotlichtmilieu, hatte keinen Freund, keine Perspektive und ziemliche Torschlusspanik. Da hat es bei uns gekriselt. Aus lauter Schiss vor der Zukunft vergass ich, die Gegenwart zu geniessen. Weisst du was? Das tut mir heute besonders leid. Mit einem knapp Vierjährigen daheim sind Sonntage im Bett Geschichte. Genau wie spontane Trips nach Irgendwo. Und auch die Abende, an denen man auf dem Sofa fläzen und zappen kann, sind weit, weit weg. Ja, manchmal vermisse ich dich, Good Old Life. Trotzdem bin ich heute die glücklichste Version meiner selbst. Mit Garten, Mann, Kind. Und Augenringen, ein paar Schwangerschaftskilos zu viel und gefühlt null Me-Time. Ob ich dich zurückwill ? Hie und da. Was schön ist. Du und ich war schön. Jetzt ists einfach noch etwas schöner.
Über Umwege, die sie als Reiseleiterin in die Türkei und an den Empfang von «Tele Züri» führten, landete Maja Zivadinovic im Journalismus. Zusammen mit Yvonne Eisenring und Gülsha Adilji machte sie seit 2021 den Podcast Zivadiliring. Ihr Lieblingsjob ist aber ein anderer: Seit Juni 2020 ist sie Mami eines Buben.