
Lesen & Hören
Lesen, hören, Sommer
Von Redaktion
Endlich Ferien, endlich mal ausreichend Zeit. Zeit, die sich wunderbar für tolle Bücher, Magazine und aufregende Podcasts nutzen lässt. Hier stellen wir unsere persönlichen Lieblinge für entspannte Stunden vor: für den Strand, die Bergwiese oder den Liegestuhl auf dem Balkon.
Lust auf Bergidylle, Doppelmord und Nervenheilanstalten der 1950er-Jahre? Wer das Bündnerland und Zeitreisen mag, sollte für den Strandurlaub nicht vergessen, das Buch von Philipp Gurt, «Graubündner Morgengrauen», einzupacken. Zusammen mit den beiden Landjägern Caminada und Marugg fragen wir uns, was es mit den zwei toten Schäferinnen auf einer Weide in der Nähe von Chur auf sich hat. Dank der scharfsinnigen Schlüsse der Ermittler erhält die Geschichte immer wieder überraschende Wendungen. Flockig leicht zu lesen – trotz Gruselmomenten.
Philipp Gurt, «Graubündner Morgengrauen», Kampa 2024, Fr.25.–.

In jedem Leben gibts Wendungen, die uns neue Wege einschlagen lassen. Der Podcast «Dieser eine Moment» von Philipp Fleiter – bekannt auch als Host des ebenfalls empfehlenswerten True-Crime-Podcasts «Verbrechen von nebenan» – nimmt uns mit seinen Gästen mit auf eine Reise in aussergewöhnliche Biografien. Eine der rührendsten Folgen ist «Vom Slum zur Starköchin» mit der Kenianerin Carol Mühlenbrock. Wer der Erzählung dieser Frau zuhört, wie sie sich aus bitterster Armut mit Optimismus, Humor und Resilienz hochgekämpft hat, vergisst die kleinen Unannehmlichkeiten des eigenen Alltags umgehend.
Philipp Fleiter, «Dieser eine Moment», auf allen gängigen Podcast-Plattformen.
Ja, ich bin begeistert vom «Narr», dem narrativistischen Literaturmagazin. Die Texte von «Stimmen, die woanders nicht gehört werden» sind toll illustriert und mit Fotos in Schwarz-Weiss bebildert. Das Magazin «Ferienlektüre» beinhaltet 19 Sommergeschichten über ein Café in Brindisi, Familienkonstellationen, Kaffeefahrten, Sommerferien im Kosovo, trägen Beziehungen, flirrenden Tagen und Hochzeiten. Mal leicht, mal eindringlich, mal amüsant, mal traurig, immer unterhaltsam. Kurze Texte zum Eintauchen – sehr empfehlenswert!
«Ferienlektüre – Kurzgeschichten» von neunzehn Autoren, Verlag Das Narr, Fr. 15.–.

Acht Monate alt war die Autorin Zora del Buono, als ihr Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Der Vater hinterliess eine stumme Leerstelle in der Familie und die unbändige Sehnsucht und tiefe Wehmut der Tochter, den Vater nie gekannt zu haben. Als Zora del Buono 60 Jahre alt ist, macht sie sich auf die Suche nach dem «Töter meines Vaters». Wie hat er gelebt? Schuldbewusst? Unbeschwert? Glücklich? «Seinetwegen» ist berührend, ehrlich, eindringlich. Eine Lebensgeschichte mit Fotos von dem Mann, «den ich sicher papà genannt hätte».
Zora del Buono, «Seinetwegen», Verlag C.H.Beck, Fr.28.–.

Kann eine Liebesgeschichte berührend, aber kitschfrei sein? Und ob sie das kann! «Für Polina» von Takis Würger ist so eine. Der Spiegel-Journalist erzählt von dieser einen grossen Liebe, die in der Kindheit beginnt und einfach niemals aufhört. Und wenn man auf Seite 291 das Buch zuklappt, ist man so glücklich, wie man eben nur nach sehr guten Büchern glücklich ist, aber – vermisst die Figuren. Am 22. Oktober liest Takis Würger übrigens im Berner Kornhauskeller aus dem Buch.
Takis Würger, «Für Polina», Diogenes, Fr.30.–.

Ich bin Fan. Und wäre Joachim Meyerhoff statt Schauspieler und Autor ein Fussballclub: Ich trüge Vereinsfarben samt Schal und Kappe. Mit Neutralität darf also nicht gerechnet werden. Trotzdem, behaupte ich, ist «Man kann auch in die Höhe fallen» – wieder mal – ein ganz wunderbares Buch. Eine unwiderstehliche Mischung aus tiefen, ernsten Themen (Burn-out), grossartiger Komik (Theateranekdoten) und Personen, in die man gleich schockverliebt ist (Mutter). Kurz: unbedingt lesen! Und alle seine anderen auch!
J.Meyerhoff, «Man kann auch in die Höhe fallen», Kiepenheuer&Witsch, Fr.37.–.

Wer lieber beim Lieblingsimbiss ums Eck einen Döner Kebab holt statt in der Badi Pommes, kennt das Emblem: untersetzter Mann mit Kochmütze und Kebab Spiess – alles monochrom, in sattem Rot. Aber wer hat dieses ikonische Logo entworfen? Diese herrlich simple Frage stellt sich Aylin Doğan im Podcast des Bayrischen Rundfunks. Auf ihrer Spurensuche trifft sie Döner-Könige, Patentanwälte, sammelwütige Immobilienmakler und lernt so einiges über Grafik- und Migrationsgeschichte.
Aylin Doğan, «Obsessed – Döner Papers», Apple Podcast, Spotify, ARD Audiothek.

Im Sommer über Liebe oder über Verbundenheit zu lesen – das hat sich leise eingeschlichen. Wohl dank Ferrante und Hooks. Dieses Jahr ist es bei mir die Verbundenheit zu Elefantinnen. Dafür muss man nicht mal bis nach Südostasien fliegen. In ihrem Debüt erzählt die Wahlzürcherin Gianna Rovere von Alltagsbeobachtungen und zieht Parallelen zur eigenen Prägung. Auslöser war eine abfällige Bemerkung im Zoo über die Brüste einer Elefantin. Entstanden sind Texte über Körperbilder und das Raum-Einnehmen. Ein poetischer Gegenentwurf zur brachialen Welt von SkinnyTok.
Gianna Rovere, «Episoden von Alltags-Elefanten», Verlag sechsundzwanzig GmbH, Fr.32.–.
