Vaterlandkolumne
Was Trump mit Gummibärchen zu tun hat

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Am Tag, an dem Donald Trump seine Präsidentschaftskandidatur bekannt gab und verkündete, eine Grenzmauer gegen illegale Einwanderer bauen zu wollen, zogen wir mit unseren Kindern in die USA. Das war im Sommer 2015. Seither vergeht kein Tag ohne Trump-Schlagzeile. Seiner Frisur, der künstlichen Bräune und den roten Trump-Krawatten, die er in China herstellen lässt, obwohl er doch eigentlich Jobs in den USA kreieren möchte, kann man sich nicht entziehen. Jedes Mal, wenn wir im Auto das Radio anstellen, fällt sein Name. Es war deshalb nur eine Frage der Zeit, bis meine Kinder fragten: «Wer ist dieser Mann?»
Ja, wer eigentlich?
Mit dieser Frage taten sich auch die bekanntesten Kommentatoren des Landes schwer, von «New York Times» bis «Washington Post», sie alle haben Donald Trump monatelang als Clown abgestempelt und sein Ende jede Woche aufs Neue vorausgesagt. Doch der Multimillionär aus New York, der sich wie ein renitenter Teenager durch die Vorwahlen pöbelte, verschwand nicht, sondern blieb. Im Gegenteil, seine Popularität wuchs mit jedem seiner Auftritte. Wer also ist dieser Mann?
Meine Kinder sind noch im Kindergarten und in der ersten Klasse. Es ist ein schwieriges Alter, ihnen abstrakte Dinge zu erklären wie Rechtspopulismus, Wutbürger oder Finanzkrise. Als sie jünger waren, da war es einfacher. Man konnte guten Gewissens ein paar Details weglassen oder einen Vergleich ins Tierreich anstellen und von Löwen und Marienkäfern sprechen. Oder darauf hoffen, dass sie schnell das Interesse verlieren. Ich stelle mir vor, dass es auch wieder einfacher wird, wenn sie älter sind, dann wollen sie Argumente, man kann im Internet gemeinsam etwas nachlesen und darüber reden und streiten. Aber mit sechs Jahren?
Die Frage hing tagelang in der Luft. Die Antwort, es handle sich um einen Mann, der Angst verbreite, schien mir nicht gut genug, denn dann hätten sie mich gefragt, warum ihm trotzdem so viele Menschen zujubeln. Ich hätte sagen können, er sei ein steinreicher Mann, der Hochhäuser baut und jetzt Präsident werden wolle, aber das schien mir dann etwas gar neutral.
Im Internet las ich, dass die dauernde Berichterstattung über Donald Trump sich bereits auf das Verhalten amerikanischer Kinder auswirken würde. In mehreren Schulen hätten weisse Kids ihre muslimischen Mitschüler Terroristen genannt. Latinos müssten sich auf dem Pausenhof immer häufiger anhören, sie würden bald aus dem Land geschmissen und dürften nie mehr zurückkommen. Hillary Clinton, die sich gerne als fürsorgliche Grossmutter inszeniert, hat Werbefilme produzieren lassen, in denen man kleine Kinder sieht, die ganz verstört vor dem Fernseher sitzen und Trump zuhören, wie er gegen Immigranten, Frauen und Behinderte lästert. Dazu eine Stimme im Hintergrund: «Ein Präsident muss ein Vorbild sein.»
Die US-Wahl, diese gigantische Show, ist längst im Kinderzimmer angelangt.
Ich habe mich dann dazu entschlossen, den Spiess umzudrehen. Als meine Kinder eines Nachmittags ein paar ihrer Freunde mit zu uns nach Hause nahmen, habe ich alle gefragt, was sie von Trump halten. Wir assen viel zu süsse Schokoladenmuffins an unserem Küchentisch.
«Er ist immer so laut», sagte der Nachbarsjunge Sebastian, «er ist wütend, aber viele mögen ihn, weil er so reich ist.»
Trump sei wie Jeffrey aus ihrer Klasse, sagte seine Schwester Mary mit vollem Mund. «Jeffrey behauptet, sein Vater habe nur ein Ohr und sein Kühlschrank zu Hause sei bis zum Rand gefüllt mit Gummibärchen », worauf meine Kinder sie begeistert anblickten. Ein Kühlschrank voller Gummibärchen kommt ihrer Vorstellung von Paradies ziemlich nahe.
Was das mit Trump zu tun habe, wollte ich wissen.
«Jeffrey lügt, der Vater hat beide Ohren. Er hat auch keine Gummibärchen. Er will nur, dass wir mit zu ihm nach Hause gehen. In Wahrheit hat Jeffrey keine Freunde und ist allein.»
Wir assen schweigend weiter und ich fand, das trifft den Charakter Donald Trumps ziemlich gut.