
Kurz gefragt
Altersfreigabe reicht nicht
Von Caterina Melliger
Yvonne Haldimann erklärt, weshalb Altersfreigaben allein nicht genügen und warum gemeinsames Hinschauen beim Medienkonsum entscheidend ist.
Frau Haldimann, Sie sind Projektleiterin der Plattform Jugend und Medien beim Bundesamt für Sozialversicherungen. Derzeit gibt es viel Diskussion um das neue Jugendschutzgesetz. Können Sie uns erklären, wie es derzeit aussieht ?
Ja, natürlich. Das Gesetz tritt nicht sofort in Kraft, wie oft kommuniziert wurde, sondern hat eine Übergangsphase. Der Bundesrat hat die Anbieter von Medieninhalten, wie Film- und Videospielbranchen, verpflichtet, Alterskennzeichnungen vorzunehmen und Alterskontrollen durchzuführen. Sie haben noch bis Ende 2026 Zeit, ein einheitliches System zu entwickeln, das dann verbindlich wird. Bis dahin gelten noch die unterschiedlichen kantonalen Gesetze.
Wie wird die Altersfreigabe für Spiele und Filme aktuell festgelegt ?
Bei der Altersfreigabe von Filmen und Games füllen Herausgeber Fragebögen unter anderem zu Gewalt, Sexualität oder vulgärer Sprache aus. Diese basieren auf wissenschaftlichen Kriterien und bieten eine grobe Orientierung. Entscheidend bleibt jedoch, dass Kinder individuell verschieden entwickelt sind – auch Geschwister können Inhalte ganz unterschiedlich wahrnehmen. Deshalb sollten Eltern genau darauf achten, ob die Inhalte für ihr Kind wirklich geeignet sind. Ein Trailer vermittelt oft einen guten Eindruck darüber, was zu erwarten ist. Altersangaben sind hilfreich, aber die letztendliche Entscheidung liegt immer bei den Eltern. Sie kennen ihr eigenes Kind am besten.
Wie können Eltern bei Streamingdiensten sicherstellen, dass ihre Kinder nur altersgerechte Inhalte sehen ?
Die grossen Anbieter wie Netflix bieten inzwischen gute Kontrollmöglichkeiten. Man kann die Altersfreigabe direkt auf dem Account einstellen, sodass nur Inhalte angezeigt werden, die dem Alter des Kindes entsprechen. Bei YouTube ist es schwieriger, weil dort auch viele von Nutzern generierte Inhalte zu finden sind, die nicht immer altersgerecht sind. Auch hier gibt es Optionen wie etwa YouTube Kids, das kinderfreundliche Inhalte anbietet. Aber auch dort ist der Schutz nicht vollständig.
Viele Kinder kommen an Inhalte, die sie nicht sehen sollten, oft über Geräte der Eltern. Wie kann man dem begegnen ?
Das ist ein grosses Problem. Eltern müssen mehr Verantwortung übernehmen, wenn ihre Kinder Zugang zu Geräten wie Smartphones oder Tablets haben. Es gibt Möglichkeiten, bei kleineren Kindern die Nutzung zu überwachen, beispielsweise mittels Apps wie Family Link. Eltern sollten sich aber vor allem über die von ihren Kindern genutzten Apps und Plattformen informieren. Der Austausch mit den Kindern ist hierbei sehr wichtig. Wenn Eltern mit ihren Kindern über die Inhalte sprechen, können sie sicherstellen, dass diese verantwortungsvoll konsumiert werden.
Wie können Eltern eine gesunde Mediennutzung fördern ?
Es geht darum, ein aktiver Teil des Medienkonsums zu sein. Eltern sollten nicht nur die Mediennutzung kontrollieren, sondern auch Gespräche mit ihren Kindern führen. Wenn sie wissen, was ihre Kinder sehen oder spielen, können sie im Fall von problematischen Inhalten besser reagieren. Es geht nicht nur um Kontrolle, sondern auch um Kommunikation und ein bewusstes Vorleben. Medienkompetenz muss aktiv gefördert werden, sowohl im Umgang mit Inhalten als auch mit den technischen Geräten.
Das klingt nach einem Balanceakt zwischen Kontrolle und Vertrauen.
Genau. Es geht nicht nur um Regeln, sondern auch um Vertrauen. Wenn Kinder merken, dass ihre Eltern Interesse an dem haben, was sie tun, und wenn sie gleichzeitig sicher sind, dass sie im Fall von Problemen Unterstützung finden, ist das ein sehr wichtiger Aspekt der Erziehung. Gerade in Zeiten von Social Media und ständigem Medienkonsum ist es entscheidend, dass Eltern mit ihren Kindern im Gespräch bleiben.
Yvonne Haldimann ist Projektleiterin der Plattform Jugend und Medien, die beim Bundesamt für Sozialversicherungen angegliedert ist. Die Plattform fördert Medienkompetenz und unterstützt Eltern sowie Fachpersonen dabei, Kindern und Jugendlichen einen sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien zu ermöglichen.